„Oh well, fuck ‚em“

Ein sichtlich geschlauchter Kurt Cobain sitzt auf der Treppe, die hinter der Bühne zu Nirvanas Umkleideraum führt. Er hat sich sein verschwitztes T-Shirt abgestreift, bietet einem Besucher einen Schluck von seinem Après-Gig-Tee an und sagt, ohne mit der Wimper zu zucken: „Ich bin ja so froh, dass du’s zur beschissensten Show der ganzen Tour geschafft hast.“

Und leider hat er recht: Nirvanas zweite Nacht im Aragon Ballroom in Chicago war ein klassischer Rohrkrepierer. In den höhlenartigen Gewölben des Aragon verwandelten sich selbst todsichere Torpedos wie „Breed“ und „Territorial Pissings“ in undefinierbaren Riff-Matsch. Die Monitor-Probleme, mit denen er fast den ganzen Abend zu kämpfen hat, konnten die Stimmung auch nicht gerade verbessern. Sicher, es gab einige brillante Momente -der explosive Refrain in „Heart-Shaped Box“ oder die Akkord-Kanonade von Gast-Gitarrist Pat Smear in „Sliver“ -, doch auf vermeintliche Highlights wie „Smells Like Teen Spirit“ wartete man vergeblich. Als die Hallenbeleuchtung eingeschaltet wurde, waren die Buhrufe unüberhörbar.

Und dennoch, Kurt Cobain scheint obenauf.“Wenn ich durch Zeitschriften blättere, stolpere ich immer über diese Typografien von Rockstars: ,Sting, der Kämpfer für die Umwelt‘ oder ,Kurt Cobain, der miesepetrige, wehleidige, neurotische Typ, der Erfolg hasst, sein Leben hasst, ja alles hasst‘. Dabei war ich in meinem Leben nie glücklicher. Vor allem in der vergangenen Woche: Die gestrige Show mal ausgenommen, lässt sich die Tour ganz hervorragend an. Ich bin weitaus glücklicher, als es mir viele Leute wohl zutrauen würden. In den vergangenen eineinhalb Jahren ist eine unglaubliche Last von meinen Schultern gefallen“, fährt er mit einem erleichterten Seufzen fort. „Ich kann noch immer nicht fassen, was da passiert ist.“ Er zählt die Punkte auf, die zu seinem neuen Hochgefühl beigetragen haben: „Dass wir das Album über die Runden gebracht haben. Meine Familie. Mein Kind. Dass ich William Burroughs kennenlernen konnte und mit ihm eine Platte machte. Es sind oft nur Nebensächlichkeiten, die einem Außenstehenden gar nicht auffallen. Und es hat viel mit der Band zu tun. Wenn es die Band nicht gäbe, wäre so vieles unmöglich gewesen. Ich empfinde ehrliche Dankbarkeit der Band gegenüber -und sehe die Zukunft mit jedem Monat optimistischer. Ich hoffe nur“, fügt er mit einem Grinsen hinzu, „dass mich die Glückseligkeit nicht so sehr packt, dass ich ein langweiliger Trottel werde. Andererseits: Ich bin noch neurotisch genug, um immer für eine Überraschung gut zu sein.“

Von allem Ärger abgesehen, den Sie ohnehin schon hatten: Warum haben Sie beim gestrigen Gig darauf verzichtet, „Smells Like Teen Spirit“ zu spielen?

Das wäre wirklich der Sahnetupfer gewesen. (Er lächelt grimmig) Das hätte alles nur noch doppelt so schlimm gemacht. Ich kann mich nicht mal mehr an das Solo von „Teen Spirit“ erinnern. Ich müsste mich fünf Minuten lang ruhig in die Ecke setzen, um es zu rekonstruieren. Aber ich hab kein Interesse mehr an diesen Sachen. Es ist mir geradezu peinlich, „Teen Spirit“ überhaupt noch zu spielen.

Weil Sie die Dimensionen des Erfolgs noch immer stören?

Ja. Die Aufmerksamkeit fixierte sich nur auf diesen einen Song. Der Song wird bejubelt, weil ihn die Leute millionenfach auf MTV gesehen haben. Er wurde in ihr Hirn eingebrannt. Es gibt andere Songs, die mindestens ebenso gut sind -wie etwa „Drain You“. Ich liebe die Lyrics und werde nicht müde, den Song zu spielen.

Kann natürlich sein, dass ich ihn nicht mehr so mögen würde, wenn er so erfolgreich wie „Teen Spirit“ wäre.

Aber mit „Teen Spirit“ komm ich einfach nicht mehr klar -vor allem an einem lausigen Abend wie gestern. Ich verspüre dann den unkontrollierbaren Drang, die Gitarre in die Ecke zu schmeißen und von der Bühne zu laufen. Ich kann einfach nicht so tun, als ob’s mir noch Spaß machen würde, den Song ein weiteres Mal zu spielen.

Aber es muss Ihnen doch Spaß gemacht haben, den Song zu schreiben?

Wir hatten etwa drei Monate geprobt und warteten darauf, von Geffen unter Vertrag genommen zu werden. Dave (Grohl) und ich wohnten in Olympia, Krist (Novoselic) in Tacoma. Jeden Abend führen wir nach Tacoma, um zu proben und neue Songs einzustudieren. Ich wollte den perfekten Popsong schreiben. Wobei ich zugeben muss, mich letztlich nur bei den Pixies bedient zu haben. (lächelt) Als ich die Pixies zum ersten Mal hörte, hatte ich einen derart spontanen Draht zu der Band, dass ich besser gleich bei ihnen hätte einsteigen sollen -oder zumindest in einer Pixies-Coverband. Wir haben die gleiche Dynamik: weich und leise, dann hart und laut.

„Teen Spirit“ war eigentlich ein unglaublich ausgelutschtes Riff, das auch von Boston stammen könnte oder aus „Louie, Louie“. Als ich es den Jungs zum ersten Mal vorspielte, schaute Krist mich nur entgeistert an: „Das kann doch nicht dein Ernst sein.“ Doch dann nötigte ich die Band, die Nummer eineinhalb Stunden lang zu spielen.

Einer der Songs, die in letzter Minute von „In Utero“ entfernt wurden, war „I Hate Myself And I Want To Die“. Wie wörtlich darf man das nehmen?

So wörtlich, wie man einen Witz wörtlich nehmen kann. Und das war auch der Grund, warum wir den Song vom Album nahmen: Wir wussten, dass eine Menge Leute den Witz nicht kapieren würden. Dabei wollten wir uns nur über uns selbst lustig machen. Ich bin doch immer dieser miesepetrige, wehleidige, neurotische Typ, der sich die ganze Zeit umbringen will: „Dieser Typ ist wirklich nie mit etwas zufrieden!“ Deshalb dachte ich, es sei ein lustiger Titel. Lange Zeit war ich sogar davon ausgegangen, dass es der Albumtitel wäre, aber im Hinterkopf war mir schon bewusst, dass es die Mehrheit nur in den falschen Hals bekommen hätte.

Haben Sie denn je eine Situation durchlebt, in der Sie sich ernsthaft umbringen wollten?

In den fünf Jahren, in denen ich diese furchtbaren Magenschmerzen hatte, wollte ich mich eigentlich jeden Tag umbringen -und manchmal kam ich dem auch wirklich sehr nahe. Tut mir leid, wenn ich so drastisch werde, aber bei einigen Gigs lag ich flach auf dem Boden und kotzte Luft, weil mein Magen eh keine Flüssigkeit mehr halten konnte. Und 20 Minuten später musste ich auf die Bühne! Nur um dann beim Singen Blut zu spucken.

Das ist einfach kein Leben. Ich liebe Musik, ich liebe Auftritte, aber irgendwas stimmte da nicht. Also fasste ich den Entschluss, mich selbst zu behandeln.

Auch wenn er ironisch gemeint ist, kann ein derartiger Song natürlich viel Unheil anrichten. Es gibt genügend Kids, die sich den Selbstmord schönreden.

Klingt fast wie die Definition unserer Band: Es ist ironisch gemeint – und gleichzeitig doch irgendwie auch ernst.

Sie haben sich jüngst auch als großer Beatles-Fan geoutet.

Absolut. John Lennon war mein Lieblings-Beatle, keine Frage. Ich weiß nicht, wer welche Teile eines Beatles-Songs schrieb, aber McCartney allein ist mir immer peinlich. Lennon war offensichtlich der verstörtere Charakter (lacht), insofern hatte ich immer einen unmittelbaren Draht zu ihm. Und nach allem, was ich über ihn gelesen habe -und ich habe eine gesunde Skepsis, was den Wahrheitsgehalt dieser Lektüre angeht, vor allem bei Musik-Büchern -, tut er mir einfach nur leid. Er lebte in seiner Wohnung wie ein Gefangener. Auch wenn er Yoko und seinen Sohn liebte -er war gefangen. Und das ist einfach nicht fair. Es ist das gleiche Problem, das ich mit dem Ruhm habe -die Art und Weise, wie die Leute mit Prominenten umgehen. Da muss wirklich dringend was passieren.

Und egal, wie viel Mühe man sich auch gibt: Es kommt immer so rüber, als würde man nur meckern. Ich kann durchaus nachvollziehen, wie einen dieses Gefühl so überwältigt, dass es geradezu in Besessenheit ausartet. Andererseits scheint das Publikum nicht in der Lage zu sein, seine Neugierde einfach mal etwas zu zügeln. Macht mal halblang! Habt ein bisschen Respekt! Wir sind auch nur ein Stück Scheiße. (lacht)

„In Utero“ war vermutlich die am heißesten erwartete Platte des vergangenen Jahres. Hatten Sie inmitten der Titeländerungen und Kontroversen -auch mit Steve Albini – nicht manchmal das Gefühl, dass die Sache längst eine Lachnummer geworden war? Es ging doch schließlich nur um ein Album.

Ja, aber ich bin den Wahnsinn schon gewöhnt. (lacht) Während der Sessions war davon auch rein gar nichts zu spüren. Die Produktion ging rasend schnell über die Bühne – alle Basic-Tracks waren in einer Woche im Kasten. Und ich sang 80 Prozent meiner Vocals an einem Tag ein -in genau sieben Stunden. Wir hatten einfach einen Lauf.

Wo lag denn das Problem?

Es waren nicht die Songs, sondern die Produktion. Wir brauchten lange Zeit, um zu kapieren, dass da irgendwas fehlte. Das Album gab uns einfach nicht die gleiche Energie, die uns „Nevermind“ gegeben hatte. Wir kamen letztlich zu der Einschätzung, dass die Vocals nicht laut genug waren und der Bass fast gar nicht zu hören war. Ein paar Songs hätten vielleicht noch etwas mehr poliert werden können, vor allem „Pennyroyal Tea“. Das war einfach nicht adäquat aufgenommen worden, da stimmte irgendwas nicht. Das hätte so wie „Nevermind“ aufgenommen werden müssen, weil es ein starker Song war, der auch eine Hit-Single werden könnte. Wir spielen jedenfalls mit der Idee, es noch mal neu aufzunehmen oder zumindest abzumischen.

Hits und Nieten -es ist wirklich eine seltsame Geschichte mit diesem Album. Ich war noch nie in meinem Leben so verunsichert, bin aber gleichzeitig auch zufriedener als je zuvor.

Sprechen wir über Ihr Songwriting: Ihre besten Songs -„Teen Spirit“,“Come As You Are“,“Rape Me“,“Pennyroyal Tea“ – haben alle einen leisen, verhaltenen Einstieg – bis dann der Refrain kommt und voll reinhaut. Was schreiben Sie zuerst: Vers oder Refrain?

(Lange Pause, dann ein Lächeln) Ich weiß es wirklich nicht. Vermutlich fang ich mit dem Vers an, aber diese ganze Formelhaftigkeit hängt mir inzwischen eh zum Hals raus. Denn es ist eine Formel -und man kann damit nicht mehr allzu viel anfangen. Wir haben mit dieser Band das Optimum rausgeholt, sind aber am Ende unserer Möglichkeiten angekommen. Krist, Dave und ich haben so lange an dieser Formel gearbeitet -diese Steigerung von leise zu laut -, dass sie uns inzwischen anödet. Ich möchte lieber in einen Zwischenbereich vorstoßen und fast schon was Psychedelisches machen -wenn auch mit einer vorgegebenen Struktur. Aber das ist gar nicht so leicht – und ich weiß nicht, ob wir das als Musiker draufhaben.

Songs wie „Dumb“ und „All Apologies“ erwecken den Eindruck, als wollten Sie Ihr Publikum auch ohne fetzige Gitarren-Paraden ansprechen.

Absolut. Ich wünschte mir, ich hätte auf den früheren Alben mehr Songs in dieser Art geschrieben. Aber selbst ein Song wie „About A Girl“ auf „Bleach“ war damals ein Risiko. Ich stand verstärkt auf Pop, mochte R.E. M. und liebte das alte Sixties-Zeug. Aber in dieser Underground-Szene, die einen schon in der Highschool prägt und festlegt, gibt’s reichlich Druck, was man darf und was nicht. Und einen Song zu bringen, der so locker und verspielt war wie eine R. E. M.-Nummer, das war schon ein Risiko.

Welche Konsequenzen hat das für die Zukunft von Nirvana?

Ich kann nicht in die Zukunft schauen, ich weiß nicht, ob ich in zehn Jahren noch Nirvana-Songs spielen kann. Ich möchte nicht gezwungen sein, eines Tages die Eric-Clapton-Nummer durchziehen zu müssen. Womit ich nichts gegen ihn gesagt haben möchte -ich hab sogar einen Heidenrespekt vor ihm -, aber ich möchte nicht an den Punkt kommen, wo ich meine Songs meinem Alter anpassen muss. (lacht)

Man hat Sie im Sommer wegen des Verdachtes auf häusliche Gewalt festgenommen. Ihre Frau Courtney Love sagte der Polizei, dass Sie Waffen im Haus hätten. Warum haben Sie das Bedürfnis, sich zu bewaffnen?

Ich mag Waffen. Ich mag es, mit ihnen zu schießen.

Wo? Worauf?

(Lacht) Wir gehen in den Wald, auf einen Schießplatz. Es ist kein offizieller Schießplatz, aber das Schießen ist dort erlaubt. Es ist eine Felsklippe, die so hoch ist, dass man jenseits der Klippe niemanden verletzen kann. Und es gibt ohnehin dort meilenweit keine Menschen.

Ohne nun den politisch Korrekten geben zu wollen: Ist es nicht ein Risiko, Waffen in einem Haus aufzubewahren, in dem Ihre einjährige Tochter rumläuft?

Sie dient nur meinem Schutz. Ich habe keine Bodyguards. Es gab schon Leute, die weit weniger berühmt waren als Courtney und ich, und sich plötzlich einem Stalker oder potenziellen Mörder gegenüber sahen. Es könnte auch jemand sein, der bloß zufällig in mein Haus einbricht. Ich hab nur eine geladene Waffe, aber die ist so narrensicher versteckt, dass sie Frances nie in die Hände fallen könnte.

Was hält Courtney von den Waffen im Haus?

Sie war dabei, als ich sie gekauft habe. Schauen Sie, ich bin nicht gerade athletisch gebaut -ich wäre nicht in der Lage, einen Eindringling aufzuhalten, der ein Messer oder eine Waffe hat. Aber ich hab auch keine Lust, zuzuschauen, wie vor meinen Augen meine Familie abgeschlachtet oder vergewaltigt wird. Ich hätte in diesem Moment keine Skrupel, abzudrücken und seinen Kopf wegzublasen. Ich mache es nur zu meinem Schutz. Okay, manchmal macht’s auch Spaß, auf den Schießstand zu gehen. (Pause) Wo wir aber auch nur auf Zielscheiben schießen -um erst gar keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. (lacht)

Außenstehende vermuten schnell, dass man auf großem Fuß lebt, wenn man ein paar Millionen Platten verkauft hat. Wie reich sind Sie? Es heißt, Sie wollten ein Haus kaufen, um dort auch ein Studio einzurichten, dann aber von Ihrem Buchhalter zurückgepfiffen wurden, weil nicht genug Geld da war.

Ja, ich konnte es mir nicht leisten. Vor einer Weile bekam ich einen Scheck für die Tantiemen von „Nevermind“ – und der war schon recht substanziell. Aber als wir Millionen Platten verkauften, dachte ich mir: „Mein Gott, ich werde bald zehn oder 15 Millionen auf meinem Konto haben.“ Was aber nicht der Fall ist. Wir leben nicht auf großem Fuß. Ich esse noch immer Kraft Macaroni mit Käse. Wir sind nicht der Typus, der zur Extravaganz neigt.

Ich hab vergangenes Jahr eine Million Dollar ausgegeben -und ich hab keine Ahnung, wo das Geld geblieben ist. Ich kaufte ein Haus für 400.000 und musste 300.000 Steuern zahlen. Was noch? Ich hab meiner Mutter etwas Geld gegeben. Ein Auto gekauft. Aber das war’s schon.

Wie sahen in letzter Zeit Ihre Beziehungen zu den Bandmitgliedern von Nirvana aus?

Als ich auf Heroin war, sah’s ziemlich finster aus. Es gab keinerlei Kommunikation. Krist und Dave haben mit Drogen nichts am Hut. Sie sahen in Heroin das Gleiche, das ich auch in ihm sah – bevor ich es benutzte. Es war alles nur traurig. Wir sprachen kaum noch miteinander. Aber seit ich clean bin, hat sich alles wieder normalisiert.

Mit Ausnahme von Dave. Ich mache mir noch immer Sorgen um ihn, weil er anscheinend das Gefühl hat, er könne bei nächster Gelegenheit durch einen anderen Drummer ersetzt werden. Er verhält sich noch immer so, als

…habe er die Probezeit nicht bestanden?

Ja. Ich kapier’s einfach nicht. Ich mache ihm so viel Komplimente, wie’s nur irgend geht, besonders bei den Proben. Dave ist wohl ein Mensch, der ab und an eine Streicheleinheit braucht – und ich tue mein Bestes, das auch zu berücksichtigen.

Dann treffen Sie also letztlich alle Entscheidungen allein?

Ja. Ich hole natürlich ihre Meinungen ein, aber letztlich ist es meine Entscheidung. Es hört sich immer seltsam an, wenn ich das sage -es riecht so nach Größenwahn. Aber Dave, Krist und ich hatten nie ein einen ernstlichen Streit deswegen, wir haben uns nie angeschrien.

Und es gab nicht mal eine hitzige Diskussion?

Doch, über die Songwriting-Tantiemen. Für die Lyrics bekomme ich alles, für die Musik 75 Prozent. Ich denke auch, dass das fair ist. Aber das Thema tauchte auf, als ich auf Droge war: Sie befürchteten wohl, dass ich nicht mehr zurechnungsfähig war und meinen Anteil noch vergrößern wollte -oder ihnen nur noch ein Honorar zahlen würde. Aber selbst damals haben wir uns nicht angeschrien. Und der ganze Rest des Geldes wird auch gleichmäßig geteilt.

Trotzdem hat man das Gefühl, dass die Zukunft von Nirvana zeitlich begrenzt ist, dass Sie es eines Tages vielleicht auf eigene Faust versuchen…

Das „Kurt-Cobain-Project“?(lacht) Nein, ein Solo-Ding kann ich mir gar nicht vorstellen. Aber ich würde liebend gerne mal mit ein paar Leuten zusammenarbeiten, die das Gegenteil von dem machen, was ich heute mache -irgendwas wirklich Abgefahrenes.

Was aber nicht so recht zu der Musik passen würde, die Sie jetzt mit Nirvana machen.

Das versuche ich doch schon die ganze Zeit durchblicken zu lassen: dass wir fast am Ende unseres Weges angekommen sind. Wir sind an den Punkt gekommen, wo alles nur noch aus Wiederholungen besteht -und das ist kein Ziel, dem man entgegenfiebern kann Aber ich weiß, dass wir zumindest noch ein weiteres Album machen werden -und ich habe auch schon eine ungefähre Vorstellung, wie es klingen sollte, nämlich sachte, behutsam und akustisch -so wie das letzte R.E. M.-Album („Automatic For The People“ von 1992 -Anm. d. Red.). Ich wünschte mir, ich könnte zumindest ein paar Songs schreiben, die so gut wären wie ihre. Ich weiß nicht, wie sie das schaffen. Mein Gott, sie sind wirklich die Größten. Und sie sind wie Heilige mit ihrem Erfolg umgegangen -und liefern weiterhin großartige Musik.

In diese Richtung sollte sich unsere Band jedenfalls auch entwickeln, weil wir momentan auf eingefahrenen Gleisen stecken. Man hat uns ein Etikett aufgepappt -und „Grunge“ ist nicht minder tödlich als „New Wave“. Man kommt aus der Nummer nicht mehr raus -aber gleichzeitig wird das Phänomen bald verschwunden sein. Man muss schon ein Risiko eingehen und hoffen, dass man entweder ein völlig neues Publikum findet – oder dass das alte Publikum mit einem wächst.

Und wenn das nicht der Fall ist? Wenn die Kids sagen: „Gefällt uns nicht, verpiss dich“?

Oh well. (lacht) Fuck ‚em.

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