Pet Shop Boys & Girls

Vom Arbeitsamt in die Albert Hall: Als schüchterne Musiziergruppe begannen Belle & Sebastian vor zehn Jahren, heute sind die Glasgower eine der meistgeliebten britischen Gitarrenbands. Eine Erfolgsgeschichte, die nicht so still und leise war, wie viele glauben.

Die Hunde im Kelvingrove Park machten Tapser in den Schnee, die Böller schnatterten, die Raketen schössen Sprudel-Lichter an den Himmel über Glasgow. Eine wundervolle Nacht. Silvester 1995, fast genau zehn Jahre ist das heute her. In der WG von Jason McPhail, einem der vielen erfolglosen, dennoch stadtbekannten Jung-Musiker und Cafe-Umherhänger, war der gute Sekt längst entkorkt, die Partygäste benahmen sich lustig genug, und vor der einzigen Toilette des Stockwerks wurde die Anstehschlange nicht kürzer. Und zu dieser Zeit, zu dieser Stunde und an diesem Ort begab es sich, daß die 20jährige Musikstudentin Isobel Campbell den jungen Mann wiedererkannte, von dem die Freunde ihr so viel erzählt hatten. Stuart Murdoch, 27, den Sänger, Dichter. Er stand in der Kloschlange direkt hinter ihr.

„Ich erinnere mich genau“, sagt Stuart Murdoch, zehn Jahre nach der schicksalhaften Begegnung. „Isobel hatte einen Jungen dabei, aber ich hatte den Eindruck, sie wollte ihn irgendwie loswerden. Ich glaube, sie wollte, daß ich sie anflirte, aber das war mir unangenehm. Trotzdem haben wir uns nett unterhalten.“ War sie nicht wunderschön? „Darum ging es nicht! Wir haben über Musik geredet! Ich wollte unbedingt ein Cello in der Band haben, und plötzlich treffe ich ein Mädchen, das Cello spielt, das über Hazlewood und Sonny & Cher und Love und lauter gute Musik spricht. Das war ich von so jungen Mädchen nicht gewohnt. Die Traumkombination.“

Immer wieder ist der Band Belle 8C Sebastian die blöde Frage gestellt worden, wer denn nun Belle sei und wer Sebastian. Und es gab verschiedene Antworten darauf.,,Du bist Belle & Sebastian, ich bin ich selbst“, sagte Gitarrist Stevie Jackson auf der Bühne zu Stuart Murdoch, im Winter 1995 bei einem Auftritt in einem Glasgower Cafe, wo die zwei noch als Gelegenheits-Duo sangen. Andere Antwort: Belle ist ein Pyrenäenhund, Sebastian ist sein minderjähriges Herrdien, in den Kinderbüchern der Schriftstellerin Cecile Aubry, die nicht begeistert war, als sie Ende ’98 erfuhr, daß die Gruppe den Namen benutzte. Noch andere Antwort: „Das ist Belle“, sagte Drummer Richard Colburn und zeigte auf Trompeter Mick Cooke, „ich bin Sebastian“, als er Anfang ’99 vor vollem Haus in London die Dankesrede für den Brit Award begann, den die Band eben gekriegt hatte.

Aber wenn überhaupt irgendjemand Belle ist und jemand anders Sebastian, dann sind es Isobel Campbell und Stuart Murdoch. „Wie heißt du?“ fragte er vor der Klotür. „Bei“, sagte sie. Das war deshalb eine so sonderbare Mischung aus Grusel und Schicksalsgefuhl, weil Murdoch erst ein paar Wochen vorher eine Kurzgeschichte geschrieben hatte. Die Geschichte handelte von einem Jungen und einem Mädchen, zwei Songwritern, die sich in einer U-Bahn-Station in Glasgow finden und zusammentun. Der Junge, Sebastian, war natürlich er. Das Mädchen, das es zu dem Zeitpunkt noch nicht gab, hatte er Belle genannt. Und hier war sie nun.

Am Tag nach der Begegnung mit Isobel, am 1. Januar 1996, komponierte Stuart Murdoch ein Lied namens „My Wandering Days Are Over“. Die musikalischen Irr- und Wanderjahre waren vorbei. Seine Band war komplett.

MY WANDERING DAYS ARE OVER

.,/ Said My one man band is over’/ lhii ihedrum for the final time and l walked awav“

Jahrelang wußte fast keiner, daß Stuart Murdoch eigentlich immer noch der One-Man der Gruppe Belle 8C Sebastian ist, in der es heute keine Isobel mehr gibt. Der, der vorne steht, der auf der Bühne redet, der die wichtigen Lieder komponiert, der Auskünfte erteilt Weil auf den Schallplatten nicht einmal draufstand, daß er der Sänger war. Man wußte nicht, daß Stuart Murdoch die Interviews gibt, weil er keine Interviews gab. Weil Belle & Sebastian eh so wirkten, als dürfe man sie keinesfalls zu scharf anschauen. Wie ein besonders empfindlicher Teddy, den man aber nicht knuddeln darf, weil ihm sonst sofort die Armchen abfallen.

Und trotzdem gab es seit den 90er Jahren kaum eine Band, die so eng an den pochenden Herzen ihrer Hörer saß. Die es schaffte, so unerklärlich besonders zu klingen, obwohl an ihrer Musik auf dem Analyse-Papier nichts Besonderes war. Wenn Belle & Sebastian mal eine Melodie klauten, dann nicht bei den Beatles, bei Nirvana oder U2, wie es in den vergangenen zehn Jahren zum popmusikalischen Umgangston gehörte, sondern bei Lee Hazlewood, Serge Gainsbourg oder den Carpenters. Eine Band, von der man wußte, daß sie in Live-Tagesform entweder das leuchtende Märchenwunder war oder der allerletzte Gymnasiasten-Mist. Wenn man sie überhaupt live sehen konnte. Die von den Fans ebenso sehr überschätzt wurde (weil Belle & Sebastian auch schwache Platten gemacht haben), wie radikale Gegner sie unterschätzten, aus schierer Angst, dieser provozierend leisen Stimme echt zuzuhören.

Andererseits war es klug, daß die Band in den leerten Jahren einiges von ihrem Besonders-Sein geopfert hat. Heute kann man Belle 8C Sebastian auch mehrmals in einem Sommer live sehen, man kann leicht herausfinden, wer wer ist in der Band, und heute sitzt Stuart Murdoch genau wie tausend nervige Popstars vormittags mit enger Jeansjacke im Hotel-Frühstücksraum und erzählt, daß er gestern nacht noch beim Joggen war, daß leiser Schnee im Park lag und er sich vorkam wie in den Narnia-Büchern seines liebsten Schriftstellers C.S. Lewis. Murdoch ist tatsächlich einer, der gern und lustig redet, der auch dann die beruhigend summende Chorknaben-Stimme hat, die man von den Platten kennt, und bei dem der oft so harte Schotten-Akzent höchstens so klingt, als ob jemand ab und zu eine Waffel zerbröselt Murdoch ist ein Hübscher, aber man will die Augen schließen, wenn er spricht.

„The Life Pursuit“, das siebte Studioalbum in zehn Jahren, erinnert nur entfernt an die frühen Zeiten, in denen Belle & Sebastian sich anhörten wie ein Freundeskreis, der um den Lieder-Boy mit der Gitarre herumsitzt Musik und Sound stehen viel weiter im Vordergrund, glockenklingelnder Sixties-Pop, Wall-of-Sound-Chansons, Soul, 70er-Soundtracks, sogar Glamrock dieses MaL „Ich will niemanden langweilen“, sagt Stuart Murdoch, der sich schon mitten in einem „Wie war’s denn so im Studio?“-Smalltalk wähnt, „aber es ging uns vor allem um die Produktion. Es ging darum, einmal eine Platte zu machen, die im Radio toll klingt, aber auch im Indie-Club. Die gegen jede Konkurrenz bestehen kann.“

Es muß wie ein elefantengroßer Schulausflug gewesen sein (oder wie die letzten 20 Minuten von Woody Aliens, Annie Hall“), als die sonnenbrandgefährdete Band im Sommer 2005 von Glasgow nach Los Angeles übersiedelte, nachdem sie den willkommenen Ruf des Produzenten Tony Hoffer erhalten hatte, unter anderem bekannt von Beck und Air. Staunend standen sie in den „Sound Factory“- und „Sunset Sound“-Studios, faßten heimlich die in den Fluren hängenden Platin-Platten von Led Zeppelin, Van Haien, den Bangles an. Dann sang Murdoch dem neuen Produzenten die Lieder vor.

„Er schien nicht groß beeindruckt zu sein. Er sagte: Jch weiß nicht, laß hier doch eine Strophe weg, und diese Überleitung da ist doch auch überflüssig…‘. Ich sagte: ,Nein, nein!‘ und schaute die anderen an – und die nickten: Ja, genau, das muß alles weg.‘ Aha, dachte ich mir, da muß also erst ein Wildfremder kommen, bis ihr sowas zugebt. Ich fühlte mich ein bißchen in die Ecke gedrängt, aber wir haben es genau so gemacht“ Um die Stimmung zu lockern, meckerte Produzent Hofler ab und zu an unerwarteten Stellen wie ein Ziegenbock in den Monitor oder drückte auf den Kontrollraum-Knopf, der seine Stimme im gesamten Gebäude hörbar macht, um die Schotten zu necken: „Murdoch! Jackson! Get the nick into the Studio!“

SUKIE IN THE GRAVEYARD

„Auiumn lutng,mg down, all the trees are draped like chandeliers/ Sukiesaw the beauty. but she wasn’t wet behind the eurs“

Eines der hervorragendsten Stücke auf „The Life Pursuit“ heißt „Sukie In The Graveyard“, und paradoxerweise ist es gleichzeitig ein unglaublich typisches und untypisches Lied für die Band Belle 8C Sebastian. Die Hauptfigur stammt direkt aus dem Murdoch-Personenregister: ein Gothic-Mädchen, schön und auf seine Art selbstbewußt, aber ohne sozialen Anschluß. Sie zieht von daheim aus, holt sich einen gitarrespielenden jungen Liebessklaven ins Zimmer, jobbt als Aktmodell für die Kunststudenten, mit denen sie ansonsten – metaphorisch – den Fußboden wischt „Ein bißchen recht haben die Leute schon, die kritisieren, daß wir dieses Gefühl verklären, nie erwachsen werden zu wollen“, sagt Stuart Murdoch. „Früher habe ich mich den Sukies und Judys auch sehr nahe gefühlt und viel von mir selbst in sie hineingelegt. Heute habe ich mehr dichterische Distanz, aber ich kann mir nicht helfen: Ich mag sie!“ Die Stimme, die Murdoch ihnen gibt, ist mittlerweile ganz anders: „Sukie“ quengelt und schleudert er heraus, ein hämmernder Soul-Shuffle, bei dem man sich gut die eah-eah-GirIs vorstellen kann, die die Haare dazu hinund herwerfen. /n-yowr-/ace-Musik.

Er brauche heute kein Klavier und keine Gitarre mehr, meint Murdoch: Er könne mittlerweile auf seiner Band komponieren wie auf einem Instrument, weil die so gut geworden sei. „Dear Catastrophe Waitress“, 2003 als Debüt für das neue Label Rough Trade mit Dance-Pop-Haudegen Trevor Hörn aufgenommen, ist übrigens das erste Belle & Sebastian-Album, mit dem die Band offiziell zufrieden ist – was den Klang der Musik betrifft., »Phil Spector hat gesagt, seine Stücke seien Jittle symphonies fbr the kids“‚, schwärmt Murdoch, „und was könnte toller sein, als so eine drei-Minuten-Symphonie zu erschaffen, die einfach ,Bang!‘ macht? Wenn man im Auto sitzt oder im Aufzug steht und man hört „Be My Baby‘ von den Ronettes, das klingt doch wie eine Missile, die direkt auf einen zufliegt Wahnsinn!“ Vor gut fünf Jahren haben Belle 8C Sebastian das schon probiert, mit der Mädchenchor-Sitar-Single „Legal Man“, die dann tatsächlich auf Platz 15 in die britischen Charts kam und ihnen den ersten Auftritt bei der „Top Of The Pops“-Show brachte.

Die Geschmacks-Geschichte der Band zeigt, daß vor allem Stuart Murdoch am Anfang andere Ideen hatte. Die Vorstellung, daß „The Life Pursuit“ nur eine Übergangsphase abschließt, daß die wahre Glorie noch bevorsteht, ist umso reizender. Auch wenn sie einem schwerfallt.

In Los Angeles fuhr Stuart Murdoch mit dem Mietwagen durch die Stadt und hörte Sixties-Radio, ging zum Joggen in die Hollywood Hills. Amerika kannte die Band von einigen Tourneen ja schon, knapp zwei Monate Kalifornien waren am Stück dennoch komisch für die Heimweh-Briten. Dafür hatten sie ab Provinzler einen irren Kicher-Spaß an ihren Prominenten-Episoden. „Ryan Adams war im Studio nebenan. Wir haben ihn manchmal belauscht, wenn er mit seiner Freundin Parker Posey telefonierte: ,Baby Doll, Baby DolL. was? Du mußt zu viel arbeiten, findest du? Baby Doll, das ist nicht gut. Das ist nicht gut, Baby DolL‘ Ich nenne meine Freundin jetzt auch so. Ich sagte zu ihr: ,So sagt Ryan Adams zu Parker Posey! Hey, Baby Doll!'“ Und dann noch ein weiblicher Filmstar: „Bob und ich waren in einem Second-Hand-Laden, und Bob meinte: ,Da drüben, das ist doch… Chloe Sevigny!‘ Ich kannte die gar nicht. Also sind wir noch ein paar Mal um sie rumgeschlichen, um sicher zu sein. Ein paar Wochen später bin ich tanzen gegangen, in einen Club. Eine Smiths-Nacht, ich bin auf der Tanzfläche, und auf einmal steht Chloe Sevigny neben mir und tanzt mit mir. Sie war extrem betrunken. Wir haben uns noch nett unterhalten, aber ich schätze, sie hat das kaum mehr mitgekriegt.“

Neue Texte hat Stuart Murdoch im Sonnen- und Ereignisgewitter von LA. nicht gemacht Er bringt die Gedanken immer heim nach Glasgow, geht spazieren, begrüßt die geliebten Straßen, kocht sich in der neuen Wohnung seinen Tee. Erst dann schreibt er alles auf.

Traum, den er am nächsten Morgen noch wußte. „Das war kurz vor der Hochzeit meiner älteren Schwester“, erinnert er sich. JEin großes Familienfest stand also an, und ich konnte den Erwartungsdruck schon spüren. Ich war der Komische in der Familie. Mir war klar, daß alle Tanten und Onkel ankommen und mich fragen würden: Stuart, hast du endlich Arbeit gefunden? Und wann heiratest du? Und was machst du überhaupt so? Zu der Zeit machte ich nichts. Die Ängste schlichen sich in meinen Traum, und so träumte ich, daß mein jüngerer Bruder sich vor die versammelte Mannschaft stellen und erklären würde, er sei schwul. Es gab riesigen Aufruhr in meinem Traum!“

Das eine: der Traum, der hier zu Ende war. Das andere: der Song. Im Song heiratet der Erzähler, kurz nach dem Coming-out des Bruders, eine junge Frau, die er so vor der Abschiebung bewahrt, die sich dann in einen anderen verliebt. Er geht zur Beichte, und der Priester macht aus seinen Sünden ein Taschenbuch namens „The State I Am In“, „Mein Zustand“, so wie Stuart Murdoch aus seinem Zustand dieses Lied machte, in dem im Prinzip alles steckt, wovon die ersten Jahre von Belle 8C Sebastian handeln.

Sein leiser, präzise gesetzter Gesang und Stevie Jacksons von weit her hallende Gitarre, Angst, Ängstlichkeit und sehnsüchtige Harmonie, die penibel und unpathetisch musizierende Gruppe (Murdoch sagt immer „the group“, nie „the band“), die einen im Geist sofort in die Mitte eines Schul-Konzertsaals versetzt – an den Ort der schlimmsten Menschheits-Psychosen also, was dem Ganzen dann doch eine Menge Pathos gibt. Die Träume,

THE STATE I AM IN

„/ was surpnsed/ I was happyfor a day in J975“

1975, mit sieben, war Stuart Murdoch möglicherweise ein glücklicher kleiner Mensch gewesen, im Jahr 1995 nicht mehr. „The State I Am In“, das bald darauf das erste Stück auf der ersten Platte seiner ersten richtigen Band werden würde, entstand – wie einige seiner Lieder – aus einem

man wäre wieder in der Schule, sind erfahrungsgemäß die grausigsten.

Dabei war Stuart Murdoch selbst ein aufgewecktes, extrovertiertes Schulkind. Geboren in Glasgow als Sohn eines Handelsmarine-Offiziers und einer Krankenschwester, aufgewachsen in Alloway an der schottischen Westküste, zugleich Bücherwurm, Heavy-Metal- und Prog-Rock-Fan (Favoriten: AC/DC, Ves) und großer Sportler, Fußballer, Langstreckenläufer, Boxer.

Der entscheidende, alles verändernde Einschnitt – ohne den es die Band Belle & Sebastian nie gegeben hätte – kam mit 21, da steckte Stuart in Glasgow im Physik-Studium: Der Arzt fand bei ihm das Chronische Erschöpfungssyndrom, eine mit Medizin nicht heilbare Krankheit, ständige Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Depressionen. Als er nach drei Jahren Kur bei den Eltern nach Glasgow zurückkam, war Stuart Murdoch ganz aus der bunten Welt gerissen, die er vorher geliebt hatte. Der fahrige Gelegenheits-Student, durch das gesundheitsbedingte Zuhause-Bleiben dem Sozialleben entwöhnt – plötzlich ein kränklicher Friedhofsmauern-Sitzer wie später die Kinder in seinen Liedern. Der Komische in der Familie. Allerdings: Er hatte in der langen Zeit die Musik entdeckt. Jetzt so richtig.

„Wenn man jung ist, hört man ja ganz, ganz viele Platten. Man hat vielleicht 20 oder 30 Bands, die man liebt. Und während die Zeit vergeht, ist das wie ein Pferderennen, und bestimmte Gruppen liegen dann überraschend vorn. Bei mir waren das Orange Juice und Feit. Ich habe zehn Jahre gebraucht, bis ich gemerkt habe, wie unglaublich und besonders gerade diese zwei Gruppen sind.“

Feit: die wundersame One-Man-Band des mysteriösen Lawrence Hayward aus Birmingham, verhallte Gitarren, Sixties-Melodien, lakonischer Gesang. Orange Juice: die frisierte Soul-Pop-Phantasie des jungen Glasgowers Edwyn Collins. Zwei der besten und doch erfolglosesten britischen Bands der 80er Jahre, die für klare, fast akademische Konzepte standen, für

Poesie, schöne Plattenhüllen, für die Entfernung alles Machohaften aus dem Post-Punk. „Let Orange Juice Into bur Life“ hieß einer der ersten Songs, die Stuart Murdoch mit 24 schrieb, inspiriert von seinen Spaziergängen durch die West Princes Street, vorbei am Büro von Postcard Records, dem Label der geliebten Band. Stuart Murdoch spürte Lawrence von Feit auf, traute sich aber nicht, an seiner Tür in London zu klingeln. Die Orange Juice-LP, die ihm Edwyn Collins 1987 mit dem Filzschreiber widmete, sieht man im Innencover der Belle 8C Sebastian-DVD ,J“ans Only“ (gehalten von Murdochs derzeitiger Freundin Marissa). Postcard-Chef Alan Hörne verewigten sie auf dem Cover der EP „This Is Just A Modern Rock Song“.

Was Murdoch da entdeckt hatte, in den Stillenjahren, war nicht nur die tolle Musik der anderen – es war ein Programm für seine eigene. Der subversive Charme des Schönen, der Triumph guter Worte über die zweifelhaften Verbrüderungsgesten des Rock. Später schrieb er den Manifest-Song „Get Me Away From Here, Fm Dying“ darüber, notgedrungen kulturpessimistisch und mit dem gewissen Sendungsbewußtsein, das in den folgenden Jahren bei Belle 8C Sebastian noch viele Probleme bringen sollte. Ungefähr so: Wenn heute keiner mehr solche Kunst macht, muß ich es wohl tun.

Die britische Presse behalf sich eine Zeit lang mit der Floskel „Die Band formierte sich in einem Nacht-Cafe“, was genau so nach Teestube und Jugend-Blockflötenkreis klang, wie es zu den Blaßgesichtern zu passen schien.

Also: Mitte der 90er Jahre war Stuart Murdoch mit seinen Gitarren-Liedern ein bekannter, belächelter, beeindruckender Charakter in der offenen Bühnen-Szene der Stadt. Wer sah, wie er seine Solo-Auftritte verschusselte, war bestürzt. Wer danach die ungestört aufgenommene Demo-Kassette hörte, staunte glotzend.

Was die Künstler-Geselligkeit in den Cafes nicht schaffte, leisteten dann zwei öffentlich bezuschußte Lerngruppen. Zum einen: eine Fortbildung des Glasgower Arbeitsamtes, die speziell für arbeitslose Musiker gedachte „Beatbox“. Zweitens: ein Planspiel des Stow College, in dem interessierte Studenten die Praxis im Musikbusiness kennenlernen sollten. Die zwei Schulungen hatten nichts miteinander zu tun, doch bald wanderten die Bänder, die „Beatbox“-Teilnehmer Stuart Murdoch mit anderen Arbeitsamt-Musikern im einen Kurs aufnahm (und die später auf der Belle 8C Sebastian-EP „Dog On Wheels“ erschienen), rüber in den anderen – dort sollte, wie jedes Jahr, zum feierlichen Abschluß und zur Lernzielsicherung eine echte Schallplatte produziert werden, und gleich mehrere Stow-Studenten schlugen dafür Murdochs Werke vor.

GET ME AWAY FROM HERE, IM DYING

„Think ofit this way/ You could either be successful or be us“

Der manchmal vorsichtig, öfter sehr direkt geäußerte ferdacht, die Mitglieder von Belle 8C Sebastian seien vor allem große Langweiler und Musik-Eierköpfe, läßt sich in vielen Fällen tatsächlich belegen. Durch Interview-Zitate, durch verwackelte Musik-Videos. Die Behauptung, auch die Entstehungsgeschichte der Band sei auf hinterhältige Art einschläfernd, ist dagegen einfach falsch. In Wahrheit entfaltete sich der Gründungs-Prozeß damals in Glasgow als so komplexes Geflecht aus Zufallsbekanntschaften, schicksalhaften Ereignissen, langwierigen Annäherungsvorgängen und heiteren Mißverständnissen, daß er hier unmöglich ganz nacherzählt werden kann.

Daß der scheue Stuart Murdoch tatsächlidi eine Band namens Belle 8C Sebastian zusammen hatte, als er im Frühjahr 1996 wenige Monate nach der großen Silvesternacht, dem Treffen mit Isobel – auf Kosten des Stow College zehn Lieder aufnehmen durfte, ist im Nachhinein weder zwingend logisch noch kompletter Zufall. Im Juni erschien beim College-eigenen Label Electric Honey die LP „Tigennilk“, auf deren Cover Mundochs Freundin Joanna Kenney dem „Winnie The Pooh“-Tigger die Mutterbrust gab. „My Wandering Days Are Over“, das Lied von Neujahr, war auch drauf.

Die Band: Murdoch als Sänger und Gitarrist, der schriftstellerisch veranlagte Stuart David am Baß, an der Lead-Gitarre der gescheiterte Jung-Rockstar Stevie Jackson, Hobby-Schlagzeuger Richard Colburn, dazu die zwei Kleinen Isobel Campbell (Cello) und Chris Geddes (Klavier). Wenn man so viele wahnsinnig schüchterne Leute in einen Raum sperrt – waren die Band-Proben nicht unvorstellbar leise?

Natürlich nicht!“ sagt Murdoch, unvorstellbar laut. „So ein Blödsinn! Es war kein bißchen leise, es war ein fröhliches Chaos. Es war die reine Freude, für mich sogar reine Ekstase! Da waren schon einige Leute in der Band, die sich verloren vorkamen, wie Außenseiter. Aber in dem Moment hatten alle ja das gefunden, was sie gesucht hatten. Man muß sich das vorstellen: Wir waren nur drei Monate zusammen und machten schon die erste Platte, und Chris und Bei waren Kids, die von Schallplatten höchstens geträumt hatten. Stuart, Stevie, Richie und ich waren älter, aber wir standen lebenstechnisch alle in Sackgassen. Und plötzlich waren wir zusammen! Sie wurden auf der Stelle meine besten Freunde, für viele Jahre. Wie oft passiert einem sowas? Einmal im Leben. Und das war dieses eine Mal.“

Wer wissen will, was an der zusammengewehten Band Belle & Sebastian so einzigartig ist, muß dieses vollkommen funkelnde Frühwerk auflegen, die ersten drei Alben, die ersten drei EPs. Weil man das ganz genau hören kann, was Murdoch da beschreibt: das Zerknirschte, Verschreckte und Desillusionierte, das in dem Moment, in dem die Stimmen und Instrumente zusammenklingen, zu etwas Majestätischem, auf magische Art Unbeschwerten wird „Lazy Line Painter Jane“ mit den mächtigen Orgel-Karussell-Trillern am Ende, oder wie der gläubige Christ Murdoch in „If bu’re Feeling Sinister“ ein tänzelndes Jugendgruppenlied über die Langweile am Katholizismus singt und im gewitterwolkigen Summer-Splash „Le Pastie De La Bourgeoisie“ immer wieder so bescheiden vor schlägt „Wouldn’t you like to get away? , bis die Frage in allen Köpfen surrt.

Die aus der Gesellschaft gefallenen Typen, die ihre Unzulänglichkeiten aber nicht zum geilen Lebensstil verklären wie die damals beliebten Generation-X-Slacker (gemäß Becks Klischee-Klassiker: ,J’m a loser, baby, why don’t you kill me?“). Und die genauso wenig in eine schulterklopfende All-Gemeinschaft fliehen wie die Bands der Mittneunziger-Britpop-Welle. Waren Belle 8C Sebastian ein Gegenentwurf zu den penetranten Moden ihrer Zeit? „Um ehrlich zu sein“, antwortet Murdoch, „die Idee hinter der Gruppe war für mich, daß wir die letzte Eighties-Band sein sollten. Eine typische Mid-Eighties-Band, Mitte der 90er Jahre. So wie Feit: der Versuch, eine eigene Welt zu erschaffen, die Poesie an die erste Stelle zu setzen. Das Ideal, die Schallplatte als großes, schönes, romantisches Ding hochzuhalten. Wen interessiert das noch? In den Neunzigern niemanden mehr, schon gar nicht die Britpop-Bands. Höchstens Leute, die ganz im Verborgenen arbeiten. Die niemand bemerkt.“

Noch ein populäres Mißverständnis über die Gruppe ist ja, sie sei erst mal für lange Zeit das wohlgehütete Geheimnis zärtlicher Glasgower Musikfreunde gewesen, bis durch Stille-Post-Spiele, Radio-Einsätze an verregneten Feiertagen und das Mitleid der richtigen Leute die Kunde ins Land ging. Das war in Wahrheit alles schon passiert, bevor die „Tigermilk „-Platte in ihrer 1000-Stück-Auflage überhaupt herauskam. Bei der Release-Party verschreckten die versammelten Londoner Plattenfirmen-Leute die Band arg – Belle & Sebastian unterschrieben dann beim Mini-Label Jeepster, vielleicht aus der Postcard-Records-Romantik heraus. Vielleicht auch, weil Manager Neil Robertson als A&R für Jeepster gearbeitet hatte und eine Beteiligung bekam.

Sie ließen sich vom Ramones-, Talking Heads- und Madonna-Entdecker Seymour Stein in die Curry-Bude einladen und sagten ihm hinterher ab. Sie stiegen im September 1998 mit dem dritten Album „The Boy fVith The Arab Strato“ auf NumTHIS IS JUST A MODERN ROCK SONG „Sieviesfull ojgood inientions/ Richard’s into rock ’n‘ roll“

Als Belle 8t Sebastian endlich das alte „This Is Just A Modern Rock Song“ aufnahmen – ein weiteres der ziemlich vielen Gruppen-Manifeste -, spielten schon wieder Leute mit, die noch zur Stunde der Song-Geburt („We’re four boys in corduroys“) keine Ahnung gehabt hatten, daß sie bald in dieser Band sein würden. Mit Sarah Martin (Geige) und Mick Cooke (dem ehemaligen Gast-Trompeter) waren sie zu acht, bevor das berühmte Jahr 1996 zu Ende ging.

mer zwölf in die britischen Charts ein (mit rund 200 000 in Großbritannien verkauften Exemplaren bis heute ihre erfolgreichste Platte) und bekamen 1999 den erwähnten Brit Award – wahrscheinlich nur, weil ihre studentische Fanbase sich in den Hohlstunden am fleißigsten an der Internet-Abstimmung beteiligt hatte, was der „Sun“ ein holperndes Skandal-Titelblatt wert war.

Und die Songs wuchsen nach wie Erdbeeren, und die Kritiker leckten ihnen weltweit jede EP aus der Hand, und wenn man aus der Perspektive der Indie-Graswurzel auf die Band bückte – weil viele der großen Leute sie freilich noch immer nicht kannten -, dann war das schon fast ein bißchen zuviel Glück für diese Gruppe aus Ex-Verlorenen. Isobel Campbell und Stuart Murdoch waren ein Paar, Belle und Sebastian, gab es ein schöneres Metaphern-Bild für die Einheit der Band? Kein Mensch hätte einem damals geglaubt, daß Murdoch nur zwei Jahre später in der „Later With Jools Holland“-Show dieses wunderschön anzuhörende, unwahrscheinlich gemeine Haß-Lied gegen seine Freundin singen würde, ,,1’m Waking Up To Us“. Und daß Isobel, mit Pferdeschwanz, Jeansjacke und Schellenring, gegen Ende der Performance auf die Knie sinken würde, mitten im Fernsehen, traurig oder angeekelt. Oder als Show.

I’M WAKING UP TO US

„1 think you ncvcr liked me anyway/ You likeyourselfandyou like/ Mcn io kiss vourarse“

Wenn Stuart Murdoch über Isobel Campbell spricht, nimmt er vorher das Foto seiner Freundin Marissa (das DVD-Cover liegt auf dem Interview-Tisch) und steckt es weg, außer Sichtweite. „Ich habe ihr versprochen, Isobel in ihrer Gegenwart nie wieder zu erwähnen“, erklärt er sich, mit kindischem Blick.

„Als Bei und Stuart David weg waren, änderte sich der Ton in der Band ganz von allein. Dann war es eine ganz natürliche Entwicklung, daß wir anfingen, anständig zu arbeiten. Es war, als hätte uns plötzlich jemand die Erlaubnis erteilt, so zu arbeiten, wie wir es insgeheim immer schon wollten.“

Großartig war die Rolle, die die kleine Isobel an Silvester 1995 in der Gründungsgeschichte von Belle & Sebastian spielte. Wie sehr die etwas größere Isobel wirklich daran schuld war, daß die Band um 2000 herum kurz vor dem Verschwinden stand, das ist und bleibt ein wunder, trauriger, niemals zu klärender Punkt der Historie. Da waren ja noch andere Sachen. Sachen, die als kleine Schrullen begannen und dann echte Probleme wurden.

Problem eins: die Presse. Die Londoner Medien hätten ihren schottischen Humor nicht kapiert, entschuldigte sich die Band. Man habe außer den Liedern nichts mitteilen wollen, ging eine andere Erklärung. Zudem soll Stuart Murdoch sich unglaublich geärgert haben, als Ende 1996 im“New Musical Express“ zwei kleine Artikel über Belle 8C Sebastian erschienen, in denen über Murdochs Religiosität und die Wurzeln der Band im Arbeitslosen-Kurs gewitzelt wurde. Was immer auch der Grund dafür war, das begeistert schwellende Interesse der Medien beantwortete die Band mit einem beispiellosen Rückzug. Als Pressebilder wurden bizarre Schnappschüsse verschickt, auf denen oft kein einziger Musiker zu sehen war. Zu großen Interviews erschienen Nebenfiguren wie Trompeter Cooke oder Keyboarder Geddes, bei Konzerten war Kamera-Verbot. Die Pop-Zeitschrift „Select“ druckte tatsächlich eine Phantomzeichnung ab, weil es noch Ende 1998 kein einziges Bandfoto gab.

Problem zwei: die Konzerte. Die Besetzung als kleines Orff-Orchester, im Studio schön, war live nicht praktikabel, die Soundchecks dauerten ewig, Perfektionismus und komplette Unerfahrenheit der Musiker ergaben eine unselige Dialektik. „München zum Beispiel war eine Katastrophe“, sagt Murdoch heute über den ersten Deutschland-Auftritt im Herbst 1998. „Der Sound war schrecklich, und überall waren Pfeiler, so daß die Hälfte der Leute nichts sehen konnte. Wir wären nie auf die Idee gekommen, absichtlich leise zu spielen. Ab einer gewissen Zahl an Zuhörern wurde es für uns einfach schwierig.“ Belle & Sebastian veranstalteten im April 1999 auf einem Campingplatz bei Dover ihr eigenes Festival. Keine nachhaltige Lösung.

Problem drei: die Platten. Den ursprünglichen Arbeitsschwung, der alles von selbst geschehen ließ, hatten sie schon bei „The Boy fVith The Arab Strap“ verloren. Eigentlich kein Wunder, nachdem Belle & Sebastian vom Neigungsprojekt zu Vertragserfiillern geworden waren, doch die Band, vor allem der ehrgeizige Murdoch, wurde immer verunsicherter: Da war ein Schmerz, und sie fanden die Wunde nicht Das vierte Album „Fold Your Hands ChÜd, You Walk Like A Peasant“ wurde zur fast zweijährigen Quälerei. Murdoch hatte schon vorher leicht zähneknirschend zugestimmt, daß auch andere Bandmitglieder ihre Lieder einreichen durften – dieses Mal fiel ihm selbst nichts mehr ein. Bassist Stuart David, schon immer mehr am Romaneschreiben und an seiner anderen Band Looper interessiert, stieg aus. Zum ersten Mal glaubten einige, der Traum sei wohl vorbei.

Besonders Isobel Campbell geriet dabei ins Schußfeld. Sie haßte Konzerte und vor allem ganze Tourneen, das war bekannt Hatten die Bandkollegen zuerst noch gern bei den Aufnahmen ihrer Zweitgruppe The Gentle Waves mitgemacht, so ärgerten sie sich jetzt, daß Isobel immer wieder bei den „Fold Your Hands“-Sessons fehlte – sie sei schuld, daß es nicht voranging, glaubten einige, wahrscheinlich sogar Stuart Murdoch. Nachdem das Album fertig war, das keinem gefiel, ging auch die Beziehung zu Ende. Und Stuart dichtete: „I’m waking up to us, we’re a disaster.“

„Isobel hat mal etwas Lustiges gesagt, und ich habe eine Weile gebraucht um zu begreifen, daß sie recht hatte“, meint Murdoch heute. „Sie sagte: JDie ersten drei Monate hat es mir gut gefallen in der Band, und danach ging es zügig bergab.‘ Und ich dachte: Wie bitte? Warum hast du mir das denn nicht vor vier Jahren gesagt? Die Band war das Wichtigste in meinem Leben, und plötzlich begriff ich, wie unglaublich wenig sie ihr die ganze Zeit bedeutet hatte. Es war ihr vor allem um mich als Person gegangen, nie um die Gruppe oder die Musik. Sie war nur dabeigeblieben, weil sie unsere Beziehung nicht gefährden wollte. Was natürlich nach hinten losging, ständig Arger brachte und unsere Beziehung eigentlich erst kaputtmachte. Und dann ging sie. Sie will ihre eigene Musik machen, sie ist nicht der Band-Typ, sie will im Mittelpunkt stehen. Als damals klargeworden war, daß Isobel und ich zusammengehören, da fühlte sich die Band an wie die Stuart-und-Isobel-Show. Und es kam mir so vor, als ob sie den Gedanken sehr genoß, daß wir das Königspaar waren, das alles entscheidet und an sich zieht. Aber das wollte ich nicht. Ich wollte eine Band.“

Auch wenn man nicht live dabei war und bei den Streitereien im Mauseloch saß, spürt man ganz deutlich, daß Isobel Campbell rückblickend viel Unrecht getan wird. So haben auch Belle 8C Sebastian ihre kleine John-bko-Beatles-Geschichte, ihr Boy-Girl-Drama ä la Fleetwood Mac oder Abba. Die Begegnung von Isobel und Stuart war seinerzeit der magische Beginn gewesen, und ähnlich symbolhaft war Isobels Abschied, als sie im Mai 2002 in Toronto den Tourbus einfach nicht mehr bestieg, das Signal für einen Neustart und den Labelwechsel von den alten Freunden Jeepster zu Rough Trade. Murdoch kann das auch erklären, ohne Isobel zu nennen.

„Es gibt da eine Parallele in der Filmgeschichte. In den Mittsiebzigern hatten die Regisseure fast die gesamte Macht in Hollywood – eine sensationelle Zeit aber dann kam irgendwann der Punkt, an dem sie entweder durchdrehten, selbstgerecht oder faul wurden. Aber sie hörten ja nicht mehr auf die Produzenten. So etwas gibt es auch bei Bands. Wenn der Künstler zu viel geschäftliche Macht hat, leidet die Kreativität

Und deswegen braucht man manchmal einen Stiefel, der einen in den Hintern tritt. Rough Trade hat uns einen sanften Tritt verpaßt, aber den haben wir dringend gebraucht. Mark von Jeepster hatte uns früh zu überreden versucht, daß wir mehr tun müssen für den Erfolg. Warum auch immer, wir waren noch nicht reif. Irgendwann hat er uns aufgegeben.“

I’MACUCKOO

„I was highjrom playing shows/ We los? a singer ro her dothesf My trouble raised hs ugly headl J was revealed and 1 was home in bed 1 was a kid iigain“

Wie gesagt, in vielen Beziehungen sind Belle & Sebastian heutenach zehn Jahren Anwärmen, Schwärmen, Herzklopfen, Abenteuern, freiwilliger und unfreiwilliger Komik – eine Band wie viele andere auch. Eine Band, die große Tourneen macht, Singles aus Alben auskoppelt, sich in Comedy-Situationen fotografieren läßt. Wenn man einen Moment lang ganz zurückgeht, zu den allerersten Aufnahmen, und dann das neue Album „The Life Pursuit“ dagegenspielt, ist das ein ganz starker Eindruck, viel stärker als bei anderen Bands: als ob man Kinderfotos und Hochzeitsbilder nebeneinanderlegt. Als ob eine Band, die zu Beginn die komplette Obskurität in Kauf nahm, nun gesund ausgewachsen ist. Und deshalb zwangsläufig nicht mehr so niedlich aussieht wie früher.

„Ich lebe nun mal in einer Phantasie-Welt“, sagt Stuart Murdoch, und im Geist sieht man die Feit- und Orange Juice-Poster an der Wand des Studentenzimmers. „Ich möchte den Song so produzieren, daß es sich anfühlt, als ob ich mitten in eine Blondie-Platte hineinsteige. Ich rede hier nicht über Songs. Ich mag keine Singer-Songwriter, ich mag Bands. Ich mag die großen Singles der Popgeschichte. Das ist das, was ich mit der Band machen will: zeitlose, klassische Singles. Das klingt angeberisch, als ob ich mir zu viele Gedanken mache. Aber es gibt einen Moment, in dem man Musik im eigenen Kopf hört und alles andere vergißt. Dann kann man einen Song machen, der es auch wirklich wert ist, gemacht zu werden. Nur dann.“

Bei Stuart Murdoch darf man den schlimmen Satz nochmal sagen: Er ist seinem Traum gefolgt. Er hatte wenigstens einen.

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