polierte eleganz: Puristen galt TILL BRÖNNER oft als Verräter, doch das dürfte vorbei sein. Der Yuppie probiert den Soul

Jazzfans provozieren? Nichts leichter als das! Till Brönner schafft es regelmäßig – mal gezielt, mal ungewollt. Sein für deutsche Verhältnisse außergewöhnlicher Erfolg hilft, weil er ihn gerne zeigt und auch sonst Wert legt auf „äußeres „Finishing“. Als glatter Yuppie gilt Till – und nicht jede Aufnahme des Trompeters mochte das bisher musikalisch widerlegen.

Aber diesmal, mit „“Blue Eyed Soul“, macht er es nur unverbesserlichen Puristen leicht, ihn als Verräter abzutun. Auf „“Chattin‘ With Chet“ hatte Till Brönner noch unentschlossen herumgespielt mit dem Baker-Erbe samt Errungenschaften des Hip-Hop – und so gegen Maximen verstoßen, die er inzwischen sehr selbstbewusst verkünden kann: „“Es kommt viel zu oft vor, dass Jazzmusiker, wenn sie etwas Zeitgenössisches machen wollen, sich einen Drum & Bass-Spezialisten als Produzenten holen, aber dann doch wie gewohnt drauflosspielen – Fusion im billigen Sinn.“

Gelassen spricht er’s aus nach neun Monaten Bastelarbeit an Tracks, die wenig zu tun haben mit der geächteten Jazzroutine. „“Mein Koproduzent, der japanische DJ Samon Kawamura, hat mir sofort die rote Karte gezeigt, wenn ein typisches Jazzsolo im Anrollen war. Er wollte ja auch seinerseits weg von Brachial-Scratches und anderen Klischees seiner Szene.“ Stattdessen also jede Menge raffinierte Details. Bläsersätze, die klingen wie der erstaunlich satte Sound eines einzigen Instruments. An Gesangslinien orientierte Trompetenparts. Samtenes Klangbild, softe Raps – Brönner bleibt sich treu als Romantiker abseits mutigerer Grenzgänge, wie er sie bei seiner Zusammenarbeit mit Hildegard Knef für angemessen hielt Trotz aller hochpolierten Eleganz dürften viele der 15 Tracks verführerisch sein für DJs. Spätestens bei der Tour in der zweiten Märzhälfte wird sich zeigen, ob Tills „“blauäugiger Soul“ Zuhörer zum Tanzen bringt. Dass die „“Boomish“-Groover Timothy Levebre und Zach Danziger wieder für Bass und Schlagzeug zuständig sein werden, spricht ebenso dafür wie Till Brönners Haltung zu Konzerten: „“Da sind ganz andere Sachen möglich, die auf einer CD nur verwirren würden – mich jedenfalls; ich merke nämlich, dass ich als Hörer stringente Stimmungen lieber mag als die große Bandbreite.“ Ton in Ton bleiben? Bloß nicht provozieren? Nicht auf der CD. Dann schon lieber bei den Informationen für Journalisten ein wenig Öl ins Feuer der ewigen Brönner-Kontroverse schütten. Von „“Deutschlands bekanntestem Jazzmusiker“ ist da ein wenig frech die Rede. Muss man Mangelsdorff sein, Doldinger – oder etwa doch schnöselig, um solchen Schmuck ohne Herkunftszertifikat zu tragen?

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