Pop als ping-pong-spiel

Es ist ja nicht so, dass bei DUOS einer die Musik macht und eine singt - die Zweierschaften des deutschen Synthie-Pop bevorzugen schicke Ballwechsel

Die QUARKS sind nicht niedlich, aber sorgfältig Die Wohnzimmerlampe brannte warm, die Analog-Synthesizer gluckerten wie der Sauerstoff im Goldfischglas – die Quarks (Jovanka von Willsdorf und Niels Lorenz) hatten das exakt richtige Format, um Mitte der Neunziger bei der berühmten Sofaabend-Reihe des Berliner Pop-Aktivisten Joe Tabu mitzumachen. „Wohnzimmerszene“, damit kann man die Beteiligten heute jagen. „Unsere Musik war nie niedlich“, stellt Jovanka klar, „sondern einfach klein und genau“. Die Quarks, die Ministeck-Stereolab mit Chanson-Ansatz und der Indie-Marianne-Rosenberg am Gesang, holen jetzt trotzdem weit aus, haben die dritte Platte „Trigger Me Happy“ (Home/Sony) im Major-Vertrieb untergebracht und ziehen sich für Fotos aus, um alle auf den Lustfaktor aufmerksam zu machen, der in ihrer Musik wartet. Die Schulter bleibt allerdings kühl: Elektro-Schlager, die im Designer-Heim keine schlechte Wahl sind und sich mit eventuellen Goldfischgläsern arg beißen würden. Und was ist der entscheidende Vorteil daran, als Duo zu arbeiten?“Ich platze oft vor Ideen und Energie“, sagt Jovanka von Willsdorf, „aber ich brauche ein Gegenüber, um die Sachen zu Ende zu bringen. Ein Duo-Partner ist auch wie ein Spiegel – man kann sich gegenseitig stoppen, wenn es zu weit geht“

Alle tanzen und singen mit 2RAUMW0HNUNG Dass Tanzmusik mit deutschem Gesang ein heimlicher Bedarf sein könnte, wusste niemand. Als 2raumwohnung (Inga Humpe und Tommi Eckart) letztes Jahr die ersten Club-Mixes ihrer Songs zu DJ-Auftragsabenden mitnahmen, war das als scheuer Test gedacht, wurde aber zum Triumph des Ungehörten. „Die Leute sprangen freudig auf die Tanzfläche“, erzählt Inga Humpe, die in der langen Karriere 1983 mit „Codo“ ihren größten kommerziellen Hit hatte und sich mit dem neuen Projekt nicht mal mehr auf Radio-Airplay stützen kann – weil es Tanzmusik mit deutschem Gesang ist.

Gegen den Innovationsverdacht verteidigt sich Inga Humpe zwar („Andreas Dorau hat so etwas schon lange gemacht!“), aber immerhin ist man jetzt so weit, dass sich eine ganze Compilation-Reihe namens „Made In Germany“ mit guten Stücken von ähnlich arbeitenden Kollegen füllen lässt, dass sich das erste 2raumwohnung-Album tatsächlich gut verkaufte und sogar die HypoVereinsbank das alles für so zeitgeistig hält, dass sie eines der Stücke in ihrem Euro-Werbespot einsetzte. Nun das zweite Album „in wirklich“(Goldrush/BMG).

Und was ist der entscheidende Vorteil daran, als Duo zu arbeiten? „Für Einzelarbeit bin ich nicht der Typ“, sagt Inga Humpe, „es geht ständig um Entscheidungen, und ich hab das gerne, wenn da ein Regulativ ist, eine Vertrauensperson. Richtige Bands sind sowieso zu viele Leute.“

MITTE KARAOKE und das tägliche Nachtleben Der beziehungsscheue Eisbär stand für die Achtziger, die partyharten Nach-Neunziger brauchen ein drolliges, hedonistisches Wappentier: „Pandabär, ich mag mich doch so sehr“, singt das Berliner Duo Mitte Karaoke (Friedrich Eberhard und Dominik Sprungala) zu minimaler Musik, die klingt, als habe man Kraftwerk zentrisch geschrumpft und in einen C64-Computer gesperrt. Das Debütalbum „Aufschlag: Mitte Karaoke“ kommt über WMF, das Label des wichtigsten Intelligent-Techno-Clubs der Stadt. Hinter seinen Türen sind die zwei als Gäste und DJs zu Hause, und um den nächtlichen Alltag dreht sich ihr Schaffen: „Wenn wir morgens um drei keine Lust mehr haben, gehen wir heim und machen Musik“, sagt Sprungala. Bei den furiosen Live-Auftritten wetzen sie wie Tennisspieler zwischen den Maschinen hin und her und bekommen nur dann ein Problem, wenn heftige Bass-Schwingungen die Stecker im Atari lockern.

Und was ist der entscheidende Vorteil daran, als Duo zu arbeiten? „Der andere kann eingreifen, wenn man nicht mehr weiter weiß“, sagt Dominik Sprungala, „außerdem hat Feed mehr Platten und kann immer sagen: Probier’s doch mal so und so!“

SPILLSBURY beweisen: Nena war zu wenig Punk Der Synthie-Bass mit den aufpeitschenden Oktav-Sprüngen lässt Twentysomethings jubeln, weil sie denken, es sei „Nur geträumt“ von Nena. Aber die Sängerin, Zoe Meißner von Spillsbury aus Hamburg, war noch nicht einmal auf der Welt, als das ein Hit wurde – und heute sie ist keine Schweißband-Proll-Lolita, sondern so sehr Punk-Girl, wie man es als intelligenter Mensch im Jahr 2002 überhaupt sein kann. Mit Tobias Asche hatte sie bei der Melody-Core-Band 1:30 gespielt, bis der ihr die Songs vorführte, die er nebenbei am PC programmiert hatte. „Wir kamen direkt aus dem Proberaum, nach zwei Stunden mit der Punkband, und haben dann zu Hause an den Spillsbury-Sachen weitergearbeitet“, erzählt Asche, und das hört man der EP „Spillsbury“ (bei LAge D’Or/Zomba, bisher nur auf Vinyl) an: Human League auf doppelter Geschwindigkeit, eine elektronische Ableitung aus Hüsker Du und NOFX mit den diplomatischsten, wortwendigsten „Fuck you“-Texten seit der tobenden Anfangsphase von Tocotronic.

Und was ist der entscheidende Vorteil daran, als Duo zu arbeiten? „Unter anderem sind die Terminabsprachen zu zweit leichter: Wir verabreden was, und sie sagt ab.“ „Nee!“ sagt Zoe Meißner.

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