Post von Hoss, dem Boss oder Grüße aus Eschwege

Eric Pfeil öffnet das Paket einer großen deutschen Tonträgerfirma und fragt sich bald nach dem Genuss des Inhaltes, wie die Wildecker Herzbuben wohl mit umgehängten Instrumenten aussehen würden.


Eric Pfeils Poptagebuch, Folge 16

Ich möchte meinen allwöchentlichen Text diesmal mit einem Rückgriff auf den vorangegangenen beginnen. Hier ließ ich mich, so ich mich recht entsinne, über die Unsitte von Musikern aus, sich vor Verstärkertürmen fotografieren zu lassen. Hierzu zwei Ergänzungen: Zum einen möchte ich mildernde Umstände für jene Musikanten geltend machen, die ihr Gerät zum Zeitpunkt der Fotografie tatsächlich akut in Gebrauch haben. Will sagen: Wer gerade ein Gitarrensolo entbietet, sich mithin in der Ausübung seines Handwerks befindet, der steht in der Regel dabei vor einem Verstärker herum. Meine Genervtheit richtet sich also keineswegs auf Live-Fotografien. Zweitens möchte ich noch eine Ergänzung zum Themenkomplex „Angebermusiker, die achtundvierzig Mal pro Auftritt die Gitarre wechseln“ anfügen: Kurz nach Abschluss des letztwöchigen Textes lag ich eine halbe Nacht wach, weil ich mich fragte, ob es je einen Gitarristen gab, der während eines Solos die Gitarre wechselte. Ich stelle mir das sehr schön vor: Mitten im entrückten Spiel müsste da in gebücktem Lauf ein Roadie auf die Bühne schießen und dem Musiker die eine Gitarre entreißen und die andere umhängen. Sollte es tatsächlich Fälle von Gitarrenwechselei im Solo (im Solo, nicht im Song!) geben, ich würde mich sehr freuen, wenn man mich darüber informierte.

Was sonst geschah: Seit zwei Wochen steht ein ungeöffnetes Paket in meiner Wohnung herum. Absender ist eine große deutsche Tonträgerfirma. Unangeforderte große Pakete von Tonträgerfirmen enthalten in der Regel keine Tonträger, die dem Autor zu Prüfungszwecken zugestellt werden, sondern lustiges Werbematerial. Früher bekam man so etwas öfter mal geschickt: Tassen mit AC/DC-Logos, Schlumpffiguren von Prince, T-Shirts, Aschenbecher usw. Doch diese Zeiten sind vorbei (gottlob, mag mancher ergänzen). Als ich zuletzt ein derart riesiges Paket von einer Plattenfirma bekam (vor zwei, drei Jahren), befand sich darin eine Barbecuesauce, die in unverhohlen amerikanistischer Manier das musikalische Wirken der Gruppe Boss Hoss bewarb. Boss Hoss + Barbecuesauce: Das ist, sofern man Merchandise-Produkten überhaupt Sinnhaftigkeit zuschreiben will, ja gar keine so abwegige Idee. Nun bin ich niemand, der allzu oft die Barbecueschürze umschnallt und sich Tony-Soprano-esk in das Wenden von Grillgut vertieft, aber bitte, das können ja Boss Hoss und ihre Plattenfirma nicht wissen. Blöd war schlicht der Umstand, dass das Saucenbehältnis beim Transport kaputtgegangen war und mir so ein Geruch entgegenströmte, für den meine liebe Mutter wohl das Wort „ungut“ verwenden würde.

Es nimmt daher nicht Wunder, dass ich dem nun in meiner Wohnung herumstehenden Paket einigermaßen skeptisch begegnete. Um es kurz zu machen: Eben habe ich das Ding geöffnet. Und was kam zum Vorschein: Boss-Hoss-Bier! Schwarz verpacktes, in Eschwege gebrautes Bier. „Dont worry, beer happy“ steht noch drauf, nun ja. Ich habe das angelieferte Six-Pack auf den Schreck schlagartig leergetrunken. Jetzt sitze ich hier und der Tag ist komisch. Komischer als sonst. Wie soll ich das sagen: Mein Leben wäre nicht viel ärmer, wenn ich nichts mehr zugeschickt bekäme, was auch nur im Entferntesten mit Boss Hoss zu tun hat. Sehr wohl aber könnte man mir den Tag versüßen, in dem man mir etwas zuschickt, was mit, sagen wir, dem tollen Duo JaKönigJa zu tun hat. Eine Flasche Boss-Hoss-Bier habe ich noch. Ich biete sie hiermit zum Tausch an gegen irgendetwas von JaKönigJa.

Der einzige halbwegs prominente Musiker, der aus Eschwege, jenem Städtchen, in der das Boss-Hoss-Bier gebraut wird, stammt, ist der Schlagersänger G.G. Anderson, der eigentlich Gerd Günter Grabowski heißt. Bis 1980 nannte er sich Tony Bell. Ich glaube, G.G. Anderson finde ich besser. Grabowski schrieb auch viel für andere: Für Heino komponierte er „Ja ja, die Katja, die hat ja“, für Laura Branigan wiederum „Satisfaction“. Aus Grabowskis Begleitband gingen später die Wildecker Herzbuben hervor.

So ist das: Da macht man arglos ein Paket auf und plötzlich sitzt man nachmittags bierselig in der Bude und fragt sich, wie die Wildecker Herzbuben wohl mit umgehängten Instrumenten aussehen. Womöglich haben auch sie sich schon untätig vor Verstärkern posierend ablichten lassen. Ob sie in der Phase, da sie in G.G. Andersons bzw. Tony Bells Begleitband wirkten, auch mal während eines Solos die Gitarre wechselten? Man ist gut beraten, wenn man rätselhafte Pakete ungeöffnet lässt.

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