Jethro Tull

War Child – The 40th Anniversary Theatre Edition

Chrysalis

Elegante Wiederveröffentlichung des energischen siebten Jethro-Tull-Albums

1974 hatten Jethro Tull, die Band um Querflötist und Sänger Ian Anderson, vorerst die Schnauze voll von überlangen 40-Minuten-Songs. Nach „Thick As A Brick“ und „A Passion Play“, die zwar erfolgreich waren, von Kritikern wie Zuhörern jedoch missverstanden wurden, wandten sich die Briten auf „War Child“ wieder kürzeren Songs zu. Ganz ohne größeres Konzept kam Anderson jedoch abermals nicht aus, verfasste er, auf den Albumsongs basierend, ein Drehbuch zu einem schwarzhumorigen Kinofilm, an dem unter anderem John Cleese von Monty Python mitarbeiten sollte. Allerdings misslang es Anderson, Produzenten für den Streifen zu gewinnen, in dem ein junges Mädchen nach ihrem Tod auf religiöse Gestalten (Gott, Sankt Petrus, Luzifer) trifft, die allesamt als gerissene Geschäftsleute dargestellt werden. Die Idee, „War Child“ als Pendant zum Film und Doppelalbum inklusive Filmmusik herauszubringen, war gestorben.

Die „40th Anniversary Theatre Edition“ versammelt auf zwei CDs nun erstmals sämtliche vorliegenden Aufnahmen aus dieser Zeit und lässt somit erahnen, wie „War Child“ ursprünglich geplant war. Mit kurzen, oftmals geradlinigen Songs, erinnert das originale Studioalbum sehr an die bluesige Frühphase von Jethro Tull. Da gibt es den unterhaltsamen Titeltrack und Opener, das herrlich dadaistische „Sealion“ und den Rocker „Back-Door Angels“ mit herausragendem Gitarrensolo von Tull-Gitarrist Martin Barre. Dazwischen befinden sich die für Anderson typischen akustisch-folkigen Stücke. Auf „Aqualung“ größtenteils nur musikalische Zwischenspiele, sind diese auf „War Child“ inzwischen zu gleichberechtigten Songs zwischen all den harten Tönen gewachsen. „Ladies“ etwa beginnt als sanfte Ballade, endet jedoch mit interessantem Walzerpart. „Skating Away On The Thin Ice Of New Day“ ist eine pittoreske Folknummer mit wunderbaren Allegorien im Songtext. Durch die für Jethro Tull recht ungewöhnliche Instrumentierung mit Saxophon, Akkordeon und Streichern sowie das Experimentieren mit zahlreichen Soundeffekten, ist „War Child“ mit Sicherheit eines der abwechslungsreichsten und ungewöhnlichsten Alben in der Diskografie der Band.

Die zweite CD gewährt schließlich tiefe, ausführliche Einblicke ins Archiv. So stammen zehn geschmackvoll orchestrierte Klassiknummern von dem Soundtrack zum Film, der niemals entstand. Neben einigen B-Seiten und alternativen Work-in-Progress-Versionen, gibt es mit „Good Godmother“, „Tomorrow Was Today“ und einer anders arrangierten Version von „War Child“ drei bislang unveröffentlichte Tondokumente erstmals zu hören. Zwei randvolle DVD’s mit hervorragend gelungenen Surround-Abmischungen von Porcupine-Tree-Frontmann Steven Wilson (der übrigens auch für die neuen Stereo-Mischungen verantwortlich zeichnete) runden das musikalische Paket ab. Das überdimensional große Digipack beinhaltet obendrein noch ein 80-seitiges Booklet mit einem informativen Essay, Track-by-Track-Konnotationen von Ian Anderson, Songtexten und raren Fotos. Für Fans von Jethro Tull ein fantastisches Paket, das durchaus zum Wiederentdecken dieses zumeist etwas unterbewerteten Albums sorgen könnte.

Wir verlosen zwei Exemplare der Special Edition von „War Child – The 40th Anniversary Theatre Edition“. Wer eine davon gewinnen möchte, sendet eine E-Mail mit seinem Namen, der Adresse und der Betreffzeile „Tull“ an gewinnen@www.rollingstone.