Albert Londres :: Ein Reporter und nichts als das

Ein Reporter wie Albert Londres müsste heutzutage wohl zunehmend um seine berufliche Existenz bangen, doch auch zu seinen Lebzeiten machte sich der 1884 Geborene über den Geiz seines Verlegers lustig. Große amerikanische Zeitungen entlassen heute pulitzerpreisgekrönte Fotografen en masse und heuern in Krisengebieten nicht versicherte Kinderfotografen für ein beschämendes Honorar an, bedeutende Reporter müssen NGOs bitten, um dahin mitgenommen zu werden, wo man dicht dran ist am Geschehen. Londres war immer dicht dran. Nachzulesen ist das in dieser Sammlung großer Reportagen aus China (1922), Osteuropa und Israel (1929/30) und Bahrain (1931). Angesichts des chinesischen Chaos bricht er nur in homerisches Gelächter aus, die Recherche in den Ghettos löst großes Erschrecken über das Elend der osteuropäischen Juden aus und in Bahrain Wut über die mühselige Arbeit der Perlenfischer. Wer etwas über die Wurzeln des Nahostkonflikts erfahren will oder über globalisierte Ausbeutung im Jahre 1931, der findet es in diesen großartig geschriebenen Reportagen. Und dabei stellt sich die Frage, wer den Gonzo-Journalismus denn erfunden hat. (Die andere Bibliothek, 38 Euro)

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