ALTERNATIVEN :: von Michael Ruff

Die merkwürdigsten Bands des Inselreiches kommen immer noch aus Schottland. ARAB STRAP ist ein neues Beispiel für das skurrile Pop-Empfinden der Hochländer. Die Lebensprobleme pubertierender Teenager wurden zwar schon oft besungen, aber noch nie so prosaisch wie auf JPhilophobia“ (Chemikal Underground/EFA). Hier werden sexuelle Katastrophen und jugendliche Eifersüchteleien betont langsam und unaufgeregt geschildert, so daß man nie weiß, ob man über die schrecklichen Begebenheiten lachen oder weinen soll. Der Gesang ähnelt eher einem kontemplativen Monolog, und die Begleitung ist so simpel wie effektvoll und pakkend. Da unterschwellig auch Pop-Strukturen vorhanden sind und der Sinn für Modernes ebensowenig fehlt, darf man das Duo dank seines ausgeprägt individuellen Stils durchaus zu einem Geheimtip adeln. 4,0

Bald drei Jahre nach ihrer letzten Platte kommt mal wieder ein Lebenszeichen von FUGAZI. Der Konkurrenz harten die Hardcore-Pioniere aus Washington DC immer das unschlagbare Gefühl für Rhythmus und Dynamik voraus, und da sich dies auf^m/Htfe^Dischord/EFA) in bester Verfassung präsentiert, darf man darüber hinwegsehen, daß das Songmaterial längst nicht so einprägsam ist wie zu früheren Tagen. Ob in explosiven oder langsamen Passagen – das Zusammenspiel des Quartetts ist eine Freude für das Ohr. 3,5

Wie man recht unterschiedliche Musik-Auffassungen auf einen Nenner bringen kann, hat das New York-Duo UI kürzlich in seiner Zusammenarbeit mit Stereolab (Uilab: „St Elmo’s Fire“ von Brian Eno) gezeigt. Wer von „Lifelike“(Southern/Efa) nun ähnlich herzige Klänge erwartet, sieht sich enttäuscht, denn hier frönt das Duo ausschließlich einem spärlich-monotonen, halbelektronischen Sound, der mit der Zeit eher Langeweile verbreitet. 2,0

Viel interessanter dagegen das CD-Reissue zweier Frühwerke: „Two Eps“ (Southern/EFA) vereinigt Aufnahmen von ’93-’95, die, nimmt man den aktuellen Tortoise-Wahn zum Maßstab, ihrer Zeit voraus gewesen sind. 3,0

Das Vibraphon selbst war nie ein weit verbreitetes Instrument. Als sein glockiger Weichmetall-Sound vom ruhmreichen Fender Rhodes Piano nachgestellt werden konnte, war das sperrige Gerät vollends aus der Mode und kommt derzeit meist nur als Computer-Sample vor. Unter dem (irreführenden) Namen THE DYLAN GROUP haben sich nun gleich zwei Vibraphonisten, unterstützt von Baß und Schlagwerk, zusammengetan, um ihrem Instrument neue Wirkungskreise zu erschließen. Dabei bringen sie auf „It’s All About (Rimshots & Feudty Wring)“ (Bubble Core/EFA) auf gelungene Weise Aphex Twin, John Cage und Antonio Carlos Jobim unter einen Hut. 3,0

Es gibt derzeit nur noch wenige Gitarristen, die ihr Instrument als Organ musikalischer Innovation begreifen. Mit ebendieser Haltung war NELS CLINE auf Mike Watts „Contemplating The Engitie Room „eine glatte Fehlbesetzung, doch nun hat er mit seinem eigenen Trio ein Album aufgenommen, das seine Qualitäten weit besser repräsentiert. „Sad“ (Skycap/Hausmusik) liefert einen Abriß von allem, was von Jimi Hendrix über Derek Bailey und Fred Frith bis zu Sonny Sharrock an innovativen Gitarrenstilen jemals existiert hat Und zwar nicht Stück für Stück geordnet sondern auf kunstvolle Art zu langen, abwechslungsreichen Kompositionen verwoben. 3,5

Weit betulicher und längst nicht so unterhaltsam geht es auf Clines Duo-Projekt mit Sonic Youth-Guitarrero THURSTON MOORE zu: J>ilbw Wand“ (Skycap/Hausmusik) ist ein undurchdringlicher Kokon, dessen Sound-Texturen sich in winzige Bewegungsabläufe verstricken, die aber für Außenstehende nur sehr mühsam nachvollziehbar sind. 2,5

Sehr leicht nachvollziehbar hingegen sind die Tagträume, die Ivo Watts-Russell, sagenumwobener Gründer des 4 AD-Labels, Revue passieren läßt: Langejahre nach seinem Erstprojekt This Mortal Coil läßt er mit THE HOPE BLISTER ein neues Großprojekt vom Stapel, das, was klangliche Atmosphäre und ausgewählteste Cover-Versionen (John Cale, Brian Eno, David Sylvian) angeht, andächtiger nicht sein könnte. „…Smiles O.K.“(4AD/RTD) ist wahrlich geschmackvoll – falls man auf leere Appartments abfährt. 3,0

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