And You Will Know Us By The Trail Of Dead – Worlds Apart

Kein Mitleid für die Giftzwerge: Großer Rock’n’Roll aus Texas Trail Of Dead aus Austin, Texas haben die Spötter selbst dazu eingeladen, ihre neue Platte zu verspotten. Eine Gruppe respektloser Kinder, denen Rockmusik piepegal ist und die den Sänger Conrad Keely laut auslachen, als er unmotiviert „Hey, fuck you, man!“ in die Pause zwischen Lied eins und zwei schreit Zur Antwort kickt der Walzer los, das Titelstück „Worlds Apart“, ein Folksong auf einer heißen Herdplatte. Verlorene Seelen erkundigen sich bei ihm nach der Zukunft des Rock’n’Roll, singt Keely und fragt zurück, ob es den Leuten eigentlich zu gut geht ob sie sonst keine Probleme haben. Im Hintergrund brüllt einer mit: „Blood and death, we will pay back the debt of diis candy störe of ours!“

Eine Selbstverwünschung, und alle werden mitsingen, wie sie es seit Nirvanas Eigen-Ekel-Song „In Bloom“ nicht mehr getan haben. „Bist du Kurt Cobain?“ fragt mittendrin eine verwirrte Frauenstimme, kaum hörbar.

Es hat tatsächlich „50 Jahre Rock“ gedauert, bis eine solche Platte möglich geworden ist wer Trail Of Dead als randalierende Punks im Kopf hat, muss sich davon verabschieden, denn das hier ist zu groß und mächtig für irgendwelche Szenen oder Spezialprogramme. „Worlds Apart“ ist das Werk einer Band, die endlich gut genug ist für ihre überkandidelten, arroganten, prätenziösen Ideen – gern auch ein Rock-Epos, das keine Software in Teile schneiden kann. In „Smile Again“, das sich über sieben Minuten mit einer Feindynamik steigert, die man keiner Gitarrenband zutrauen würde, singt Keely: Das Papier ist deine Seele, aus dem Füller fließt dein Blut Autoren-Punk. Jede Sekunde dieses Albums ist kostbar, nichts wird verschwendet.

Dass sie ungewöhnliche Taktarten können, eine klassische Geigerin gegen Ende einen osteuropäischen „Ich denke oft an Piroschka“-Walzer dazwischenspielen lassen, dass sie noch immer blutig dreinhauen können, wenn es sich anbietet – das wäre egal, hätten Trail Of Dead nicht dieses unwahrscheinliche Talent, die Energie und Erregung, die Rock’n’Roll wohl oder übel freisetzt, zu kanalisieren, für die richtigen Stellen aufzuheben. Es gibt Passagen, wo Sänger Keely fast psychedelisch durch einen Blätterwald aus schillernden Gitarren haucht, bis er zur Quintessenz kommt und sich entlädt: „I know that the best will fall/ And the rest will follow!“ – die Schläge klingen, als ob eine Ballerina während der Pirouette die Scheinwerfer vorbeifahrender Autos zerhämmert.

In der zweiten Hälfte stürmen sie endgültig den Ballsaal, in dem sonst die Smashing Pumpkins, Coldplay und U2 daheim sind, lassen die Gitarren flattern und summen, singen zu Peanuts-Klavier Zeilen wie „Don’t say your name, just dance with me“. Und plötzlich begreift man, wie Rock-Pathos eigentlich gemacht werden muss und warum die anderen es nicht können: Das Letzte, was Trail Of Dead wollen, ist Mitleid. Diese elenden Giftzwerge.

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