Ann Magnuson – The Luv Show

Ann Magnuson glaubt weder Fernsehen noch Menschen. Wenn man ihr Solo-Debüt „The Luv Show“ richtig deutet, glaubt sie nicht einmal an die große Liebe aber immerhin mag sie Persiflagen. In ihrem Video „Lene Haagendaasovich“ verschmolz sie einst ironisierend die Vokal-Akrobatik von Nina Hagen und Lene Lovich -Frauen, denen sie zwar nicht stimmlich, aber in ihrem Verständnis als feministisches Gesamtkunstwerk durchaus nahe steht. Als Mitglied von Bongwater schlüpfte die Magnuson später von einer Rolle in die andere, wurde das, was sie persiflierte, ein Star nämlich – und erfuhr vor der Kamera in TV-Serien und dem Polit-Thriller „Das Kartell“ viel über das Verhältnis von Empfindung und Abbildung.

Multi-Magnuson, Schauspielerin, Musikerin und Amerikanerin, hat Pop-Art immer wörtlich, Unterhaltungskultur fast wissenschaftlich verstanden und nun Aufstieg und Fall eines Provinzmädels in einer Großstadt als eine Show des großen Gefühls inszeniert. Magnuson ahnt: Irgendwo zwischen bedröhnten Backstage-Sitzungen und Hollywoods Wasserbetten ist das Geschlechterverhältnis zum Machtund Tränendrüsenfaktor verkommen. Vielleicht sind präsidiale Party-Ficker, kurz „MKCF“ („Manipulative Kennedyesque Celebrity Fuckers“) daran schuld. Oder der Mann ohne Gesicht, den Magnuson auf ihrem ersten Album besingt.

Diese Platte „ist der ganz persönliche Film in meinem Kopf“, erklärt sie lapidar und stellt ihr Licht damit unter den Scheffel. Denn mehr als ein popmäßiges Auskotzen individueller Befindlichkeiten bringt sie „The Luv Show“ als zynisches Stereotypen-Karussell, vorangetrieben von Anti-Groove-Balladen und einer Art Swingcore, der über die Kunst-Pop-Performance von Hagen und Lovich oder die laszive Lazyness von Lydia Lunch weit hinausgeht. Magnuson hatte schon zu Bongwater-Zeiten begriffen, daß es eine Inszenierung von Popmusik gibt jenseits von Glam-Faktor, Authentizitäts-Geschrammel und naiver Boylie/Girlie-Pose. Sie hat den Kategorisierungen und Stilisierungen von Film- und Showbusiness nachgeforscht bis zu den Wurzeln des Vaudeville-Theater. „Hört nicht auf zu kiffen, hört nicht auf zu denken“, fordert Magnuson, und man wüßte gerne, was sie notfalls wählen würde: Verstand oder Vollrausch. Was bedeutet das Leben? Sollte ich ins Show-Geschäft gehen?

Wenn Ann Magnuson nicht mißtrauisch ist, sieht sie die Welt als Komödie, deren Protagonisten und Protagonistinnen sie mühelos karikiert, das macht die Platte noch ein bißchen zeidoser. Jim Foetus Thirwell und Ex-Bongwater Gitarrist Dave Rick und Randolph A. Hudson arbeiten bewährt zwischen Krach und Finesse wandelnd daran mit und werden noch lange davon erzählen, daß sie damals in den Neunzigern mit der großartigen Ann Magnuson lachend den Glauben an die große Liebe beerdigten.

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