Basia Bulat

Tall Tall Shadow

Secret City/Rough Trade

Am Ende setzt sie sich ans Klavier, denkt sich in der Ballade „From Now On“ lauter gute Vorsätze aus, schimpft sanft auf den Sommer, der immer alles durcheinanderbringt, freut sich auf den Oktober und hofft schließlich, dass jedes Lied, das sie künftig schreibt, dem gleichen Menschen gewidmet sein wird: „I can play you on and on and on and on until I am out of breath.“ Mit diesem Versprechen schleicht sich zuletzt sogar noch ein bisschen Soul in das erstaunliche Album der Kanadierin Basia Bulat ein. Es gibt Leute, die sie wegen ihres sensiblen Storytellings schon als neue Joni Mitchell sehen, andere halten sie wegen der exzentrischen Schnörkel, zu der ihre Stimme in der Lage ist, für Torontos Antwort auf Joanna Newsom; und weil Arcade-Fire-Bassist/Gitarrist Tim Kingsbury auf „Tall Tall Shadow“ mitspielt, glauben manche in Bulats Songs Arcade-Fire-Verweise zu entdecken. Das ist alles irgendwie richtig. Irgendwie aber auch egal.

Schließlich erkundet Bulat auf dem Album trotzdem einen wunderbar eigentümlichen Musikkosmos. Dieser reicht vom Rockdrama „Tall Tall Shadow“ bis zur Popkomödie „Promise Not To Think About Love“, die sich in die Hände klatschend mit einem ulkig twistenden Beat vergnügt. Er erstreckt sich vom intimen „It Can’t Be You“, bei dem sich Bulat an der Charango begleitet und sich schließlich in Koloraturen und zarte Verzweiflung steigert, bis zum opulenten, mit einem verschrobenen Marschrhythmus und einer Bratsche verzierten „The City With No Rivers“. Mal bringt sie einem in „Someone“ mit einem programmierten Beat und einer Wurlitzer durcheinander und verspricht: „If you’re lost, find me“. Mal singt sie mit melancholischer Leichtigkeit von der Sehnsucht: „Paris Or Amsterdam“? Hauptsache, sie ist dabei.   Gunther Reinhardt