Batman Forever :: Kinostart 3.August

Einsam huscht ein Schatten in der Dunkelheit über die Dächer der Stadt. Batman behütet Gotham City. Käme er an einem Kino vorbei, ihn könnte die Zeile einer Leuchtreklame zu Tränen rühren: ,“Batman Forever‘: 52.784.433 millon $ in two days – the world’s most successful movie of all times.“ Es ist das Resultat einer brachialen Sommer-Offensive.

Die Vifeltkriege, die heutzutage geführt werden, sind Stellvertretergefechte. Sie werden mit Budgets statt Bomben und Gagen statt Granaten geschlagen. Die Front ist ein weißes Feld, eine Projektionsfläche für Suggestionen, die als Bilder in unseren Köpfen explodieren. Niemand vermag dies besser und exzessiver als Hollywood. Über den Mythos dieses kapitalen Kino-Kosmos, seinen Gesetzen aus Glamour und Gigantomanie, ist bereits alles gesagt – und oft wunde er auch totgesagt Doch Hollywood – ob Protektionismus, Pleiten oder Panikmache – ist zäh. Stets regeneriert es sich von selbst, setzt es neue Maßstäbe und Rekorde, bewegt es Milliarden von Dollars, und ebensoviele Menschen sind von seinen Produkten bewegt Da Hollywood nur überlebt, wenn es sich stets selbst übertrifft, wurde aus einer Kino-Kunst ein Geschäft, das zur schieren Materialschlacht mutiert ist. Sie wird in den Vereinigten Staaten begonnen, gewonnen – und dann über die gesamte Erde verbreitet Und da der Hollywood-Mensch die Bibel nie gelesen, sondern nur als Monumentalkitsch verfilmt hat, gilt ihm jenes Gleichnis vom Turmbau zu Babel als Banalität Die Produzenten haben in diesem Jahr für lediglich ein halbes Dutzend Filme mehr als eine Milliarde Dollar aufgetürmt, die am Jahresende verpulvert sein oder die Konkurrenz pulverisiert haben werden. Die Strategie der Studios ist ein Gewaltakt, der bezeichnend zum 100. Jubiläum des Kinos mehr als jemals zuvor im Darwinismus mündet Es ist ein Tanz auf dem Vulkan.

Das Trommelfeuer begann mit „Batman Fbrever“. 4000 Kopien blockierten am Start-Wochenende in Amerika die Kinos – und spielten in dieser Zeit mehr Geld ein als Jurassic Park“. Mag diese Rakete auch bald verglühen – Blockbuster Batman wirft einen langen Schatten auf Konkurrenten wie Disneys „Pocahontas“, Sylvester Stallone als nJudge Dredd“, „Apollo 13“ mit Tom Hanks, Kevin Costners „Waterworld“, »Der erste Ritter“ Richard Gere, „Alarmstufe Rot 2“ oder „Wild Bill“ mit Jeff Bridges. Millionenteure Märchen, Fantasy-Abenteuer, Zukunfts-Action, Patriotismus-Dramen, Trickfiguren. Sieg oder stirb langsam.

Als Tim Burton („Edward mit den Scherenhänden“) 1989 mit „Batman“ erstmals eine Story des Comic-Fledermaus-Zorros adaptierte, summierte das Einspielergebnis von 251 Millionen Dollar auch den Geist der 80er Jahre – und nahm die 90er vorweg. Aufkleber des Batman-Logos zeugen noch immer von der beispiellosen Marketing-Vehemenz, die erst Jurassic Park“ überbot. Zuvor hatte Burton mit „Batman’s Return“ am Start-Wochenende eine neue Bestmarke gesetzt Es war ein Pyrrhus-Sieg. Der skurrile Feingeist nutzte das kommerzielle Kino als Vehikel für eine alptraumhafte Weihnachtsgeschichte, eine Parabel aus Fellini’sehen Kirmes-Grotesken, Grimm’schem Märchen, Shakespear’scher Tragödie, Freud’scher Gefühle und Dickens’schem Findelschicksal. Alle Häßlichkeit der Welt vereinte er im Charakter des Pinguins, dessen Brutalität die Reaktion eines Außgestoßenen war, von Danny DeVito als Teddy und Zombie zugleich gespielt Diese sinistre Atmosphäre entsetzte die Elternverbände, die ihren Kindern immerhin die Kino-Karte kaufen müssen; PR-Partner wie McDonald’s stellten ihre Marketing- und Merchandise-Kampagnen ein. So ist die „Batman“-Trilogie nicht nur eine Kino-Geschichte, sondern auch eine Geschichte über den Zustand des Kinos. Der Profitprozeß wird – beeindruckend bei „Jurassic Park“ – immer mehr zum Movens für den Plot Mit Tim Burton drohte Batman zum Kult und also ein finanzielles Fiasko zu werden. Während jener mit „Ed Wood“ seine Außenseiter-Parabeln fortsetzt, hat das Warner-Studio mit Joel Schumacher einen neuen Regisseur verpflichtet, den Spießer Michael Keaton durch den Schönling Val Kilmer als Batman ersetzt und den Slapstick-Superstar Jim Carrey als Gegenspieler Riddler besetzt Tommy Lee Jones spielt den vernarbten Mobster Two-Faces, umgarnt von seinen Gespielinnen Spiee (Debi Mazar) und Sugar (Drew Barrymore) – für jede Gesichtshälfte eine. Erstmals ist Batmans buddy Robin (Chris O’Donnell) dabei, als Psychologin Chase rüttelt Nicole Kidman an der traumatischen Dualität des Flattermannes. Mit diesem Aufgebot und prallen Potential an Psychosen konnte Schumacher natürlich wuchern. Jeder Akteuer hat mindestens einen famos spinnerten Auftritt, und in 60 opulenten Kulissen aus Postmoderne und Art Deco, mit yuppiehaften Edel-Accessoires und mehr als 200 Spezialeffekten wurden die Szenen zu einen virtuosen visuellen Trip montiert. Und das ist zuweilen das Problem.

Burton hatte mit düsterer Poesie zu einer klassischen Erzählstruktur zurückgefunden, Schumacher aber mußte für seinen rasanten joyride die Story simplifizieren. Der Riddler ist ein junges Computer-Genie, das im Konzern von Bruce Wayne alias Batman die Manipulation von Gehirnströmen erforscht und vom ethischen Edelmann gefeuert wird. Er verbündet sich mit Two-Faces, der einst Robins Artisten-Familie ermordet hat Die good guys und bad boys treten zum schillernd-schizophrenen Showdown an.

„Batman Forever“ ist ein Zwitterwerk, getrieben von der Suche nach der Balance zwischen Selbstkontrolle und Subversion, Sanftmut und Selbstironie. Die Gewalt hat immer Cartoon-Charakter, der Humor funktioniert meist nach dem Sketch-Prinzip. Andererseits zielt der Witz unter die Gürtellinie. „Wer hat dein Kostüm geschneidert, Robin?“, fragt Batman und starrt in dessen Schritt Kilmer und Kidman spielen ebenso mit verbalen Schlüpfrigkeiten, ihr Sex-Appeal aber bleibt steril als notwendiger Schauwert im Unterhaltungsteil. Batman hat sich in Chase verliebt, die aber sein Alter ego Bruce Wayne begehrt. Als sie den Bat-Pieper für ein Rendezvous mit dem Fledermausmann benutzt, kalauert der: „Es ist wegen des Wagens, richtig? Hühner lieben solche Flitzer.“ Burtons einst verklemmter Ritter der Dunkelheit ist bei Schumacher ein charmanter Chauvi geworden, die Tragikomik einer frivolen, farbenfrohen und fiesen Heiterkeit gewichen. Viele werden den Film ablehnen, noch mehr ihn sehen. „Batman Forever“ ist zuerst als Schlachtruf zu verstehen, der sich für alle Beteiligten ausgezahlt hat Batman will zur Nachtwache ausrücken. Sein Buder Alfred tritt heran und fragt: „Wollen sie ein Sandwich mitnehmen, Sir?“ Der Gag ist schlicht, die Pointe schlimmer: Die Szene wird als Superhelden-Sandwich-Spot für McDonald’s benutzt Der manische, nun weniger moralische Maskenmann ist wieder Sieger. Jack Nicholson, Danny DeVito und Jim Carrey aber hatten stets die besseren Momente. Ihm bleibt nur die Einsamkeit als Schatten.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates