Ben Harper

Both Sides Of The Gun

Ein Album mit Rock, Funk und Flüsterliedern, immer klassizistisch

Man wirft Harper das ja öfters vor: daß er sich nicht festlegen will und seinen Klassizismus betreibt wie der Vater seinen Plattenladen, also stilistisch vielseitig, bewußt unterschiedlich. Harper spielt eben jede alte Musik, wenn sie sich nur irgendwie von seinem passionierten Soul zusammenhalten läßt. Man muß das hinnehmen! Oder den Künstler gleich ganz fahren lassen. Für sein sechstes Album hat Harper immerhin eine Zweiteilung vorgenommen. „Both Sides Of The Gun“ besteht aus zwei jeweils gut 30 Minuten langen CDs – die eine ist voll mit Rock, R&B, Funk und wildem Elan, die andere ganz leise mit Flüsterliedern und zurückhaltenden Arrangements. Die Zweiteilung ist deshalb sinnvoll, weil die unterschiedliche Temperamente des Songschreibers noch nie so unterschiedlich waren. „Die Musik hat darauf bestanden, getrennt zu werden“, sagt Harper, und er hat sich ihr gebeugt.

Die Höhepunkte auf CD eins: der orientalisch angelegte Hippie-Schwärmer „Better Way“ mit ekstatischer Slide-Gitarre; der Delta-Blues „GatherRound TheStone“, eine Beschwörung, wie Harper sie von den Blind Boys Of Alabama gelernt hat, das überlange „Serve Your Soul“ wegen des gut nachempfundenen Led Zeppelin-Riffs und der kakophonischen Gewalt. CD zwei beginnt mit dem wunderschönen „Morning Yearning“ Harper verbeugt sich vor Nick Drake, die Gitarre puckert dunkel, und die Streicher klagen wie auf „Bryter Ltxyter“. Alles danach folgt diesem Grundton, ist mal weihevoll, mal eingekehrt und immer von ganzem Herzen. Natürlich fallen da die Grenzen, und gelegentlich vertraut Harper zu sehr der nackten Gefühlswallung- wie beim Schlaflied „Happy Everafter In Your Eyes“ oder dem weinerlichen „Picture In A Frame“.

Aber das hier ist dennoch in jedem Moment gute, ehrenwerte, unprätentiöse Musik, für die man dankbar sein soll. Zum Beispiel für „Waiting For You“: Harper singt wie Cat Stevens, hofft, barmt, schwelgt zu vielen Geigen in himmlischen Dingen. Und trifft einen klassischen Folk-Ton, den man so oft nicht mehr findet. Außer bei Papa im Plattenregal, (virgin)