Big Star – No. 1 Record/Radio City

Unter allen Bands, die man mit dem inflationär benutzten Begriff „Kult“ assoziiert, ist Big Star diejenige, die in jeder Hinsicht den fundamentalen und strengsten Anforderungen gerecht wird. Origineller hat sich selten jemand des Erbes der Beatles bemächtigt als das Gespann Chilton und Bell bei den Pop-Rock-Songjuwelen des Debüts. „No. 1 Record“ setzte dort an, wo das Weiße Album und „Abbey Road“ aufgehört hatten. Will sagen: Neben den Lennon-Songs auf diesen Platten hatten die von George Harrison einen besonders mächtigen Eindruck hinterlassen. Nur dass „Watch The Sunrise“ noch besser war als „Here Comes The Sun“. „Feel“ ein größeres Stück Powerpop war als McCartneys Miniaturen für die letzte Beatles-Suite. Das lennoneske „Don’t Lie To Me“ hätte damals ein noch weit größerer Hit werden müssen als „Go All The Way“.

Marketing-Power konnte Stax aber nicht für das Erstlingswerk aktivieren, das stilistisch auch noch absolut aus dem Rahmen der sonstigen LPs der Firma fiel. Frustriert warf Chris Bell danach den Bettel hin, und der Ex-Box Tbps-Sänger Chilton musste sich mehr der Songschreiberqualitäten seines Bassgitarristen Andy Hummel versichern, der sich auf dem Debüt mit dem „India Song als Harrison-Fan vorgestellt hatte. Als später die dB’s und The Dream Syndicate, R.E.M. und This Mortal Coil, Primal Scream, Replacements, Bangles und andere zugaben, wieviel sie dem wundervollen Einstand des Quartetts verdankten, war Chilton fast zur Parodie seiner eigenen Legende mutiert.

Für die zum Trio geschrumpfte Besetzung schrieb er nicht weniger hitverdächtige Songs als zuvor. „Radio City“ enthielt wieder beatleske wie „Back Of A Car“ balladeske wie, „I’m In Love With A Girl“ und nachmals viel gerühmte wie „September Gurls“ und „She’s A Mover“, viele jetzt mit stärkerem Akzent auf dem Roll im Rock’n’Roll und weniger Pop-orientiert „O My Soul“, erster Song auf dem Album, war gar eine Rückkehr zu alten Box Tops-Tagen.

Chilton ließ sich selbst durch den Misserfolg dieser Platte nicht entmutigen, im Gegenteil: In manchen Zirkeln gilt das Folge-Album „Third/Sister Lovers“ als seine größte Genietat. Die neue Hybrid SACD-Version der ersten Big Star-LPs kommt mit denselben Liner Notes wie die „Twofer“-Edition von 1992. Essential listening!

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