Billy Joel :: 12 Gardens Live

Der Entertainer in Teil-Retiro räumt noch einmal alles ab.

Anlass für dieses weitere Live-Album – offiziell das vierte in Joels Karriere – waren die zwölf ausverkauften Konzerte im Madison Square Garden. Und möglicherweise beflügelt das Fehlen einer neuen Platte die Kartenverkäufe noch mehr, als es ein neues Album tun würde. Ob der Künstler tatsächlich leergeschrieben ist, kann man anhand des Konzerts natürlich nicht entscheiden, hier steht er in Saft und Kraft. „The Great Wall Of China“ ist kein neuer Song, obwohl man ihn gerade nicht präsent hat, so wenig wie das – wunderbar mit Crystal Taliefero im Duett gesungene „The Night Is Still Young“: „Rock and roll music is the only thing I ever gave ad amn about.“ Alle anderen Stücke kann man wenigstens mitsummen, und wenn Joel auch alle Überraschungen scheut, so ist „My Life“ doch ein wenig umarrangiert worden, haben es „Allentown“, der Swing von „Zanzibar“, „Vienna“ und das wahrlich selten gespielte „Laura“ von „The Nylon Curtain“ ins Programm geschafft, im zweiten Teil dann „You May Be Right“, die ausladenden „Scenes From An Italian Restaurant“ und „And So It Goes“ als Schlusslied. Aus den guten alten Zeiten sind die Musiker Richte Cannata und Mark Rivera übriggeblieben, und wenn auch bei den vergleichbaren Songs – „Miami 2017“, „Everybody Loves You Now“, „Billy The Kid“ – die Versionen von „Songs In The Attic“ zugleich transparenter und direkter wirken, so hat Steve Lillywhite angesichts des Ortes doch viel besser produziert, als es offenbar beim Russland-Auftritt „Kohuept“ von 1987 möglich war. Die Auswahl der 32 Songs („A Room Of Our Own“ am Ende der ersten Platte ist nicht ausgewiesen) ist auch geglückter. Natürlich: zu viele Bläser, zu lautes Schlagwerk, manchmal zu viel Chorgesang und gekleisterte Keyboard-Schlieren. Gitarren waren bei Joel ja niemals von großer Bedeutung.

Verglichen mit jenem Club-Auftritt 1978 im deutschen Fernsehen, den 3Sat hin und wieder zeigt, fehlen natürlich ein wenig das Charisma und der schiere Wahnsinn dieses schrägen Vogels, der sich als „The Entertainer“ und „Piano Man“ selbst ironisierte (und heroisierte) und gerade die damals meistverkaufte Platte überhaupt vorgelegt hatte, „52nd Street“. Er sah aus, als würde er nach seinem eigenen triumphalen Auftritt auch noch die Tische abwischen. Die weniger guten Jahre standen bevor, in denen Billy Joel freilich noch, immer mehr Hits herausbrachte als andere in ihrem ganzen Leben. „Everybody Has A Dream“, „I’ve Loved These Days“, „Tell Her About It“, „Honesty“, „Just The Way You Are“, „Miami 2017“ gibt es diesmal nicht. Statt dessen eben „Laura“ von der problematischen, den Beatles entlehnten Platte. Und mehr Evergreens, verhangene Erinnerungen und halb memorierte Verse als in einem Broadway-Stück. It was so easy living day by day…

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