Bob Dylan :: Together Through Life

Erstaunlich leicht und spontan: Die langsame Heimkehr des Meisters

Schon knapp zwei Jahre nach Veröffentlichung von „Modem Times“, einem der erfolgreichsten Alben seiner Karriere, standen Bob Dylan und seine Band wieder im Studio, um den Nachfolger aufzunehmen. Sogar der Künstler selbst, in dessen Alterswerk Zeit bis dahin überhaupt keine Rolle gespielt hatte, zeigte sich überrascht ob der eigenen Produktivität.

Er wolle mit „Together Through Life“, das er großenteils mit dem Grateful Dead-Texter Robert Hunter schrieb, kein neues Terrain erschließen, erklärte Dylan im Interview mit Bill Flanagan. Und tatsächlich scheint er in das Land, das er auf dem letzten Album vermessen hat, zurückzukehren. Wie der aus der Gesellschaft gefallene Geologe Valentin Sorger, Protagonist in Peter Handkes „Langsame Heimkehr“, war Dylan auf „Modern Times“ besessen gewesen von der Suche nach archetypischen Formen, fasziniert von Oberflächen, auf denen er die Geister der Vergangenheit tanzen ließ. Auf „Together Through Life“ pulsiert und pocht, begehrt und spottet, weint und lacht nun stellenweise das pralle Leben. Auch wenn der Titel des ersten Songs etwas anderes behauptet: „Beyond Here Lies Nothin'“. Ein herrlich geschmeidiger Bluesschieber, dem Trompete und Akkordeon Tiefe verleihen. In Dylans Werk evoziert der Track am ehesten die Anarchie der „Basement Tapes“. Die historische Vorlage: ,A11 Your Love (I Miss Loving)“ von Otis Rush. Chicago Blues also – der war schon auf „Modern Times“ Dylans liebste Inspirationsquelle (zuvor war es ja eher Folk-und Country-Blues der 20er und 30er Jahre). „Beyond here lies nothin’/ But the mountains of the past“, raspelt er. Und der Aufstieg ist zunächst ein beschwerlicher.

Die countryeske Ballade „Life 1s Hard“, die Dylan für Oliver Dahans Film „My Own Love Song“ schrieb, scheint fast auf der Stelle zu stehen, der Sänger reckt sich vergeblich in kaum erreichbare Höhen. Dann zieht David Hidalgos Akkordeon die Band in einen kargen, kantige 1 Chess-Sound. Muddy Waters Aufnahme von Willie Dixons „I Just Want To Make Love To You“ klingt an, nur knarzt Dylan stattdessen „I just wanna say that hell’s my wife’s hometown“. Schöne Pointe natürlich, die Blues-Minne mit der Ehehölle zu überschreiben. Am Ende lacht auch der Sänger teuflisch. „If You Ever Go To Houston“ eröffnet mit eingängigem Akkordeon-Motiv, das wie ein Fragment aus Springsteens „4th Of July, Asbury Park (Sandy)“ erscheint und in eine sechsminütige Endlosschleife einfädelt. Dylan torkelt dazu durch die Straßen der Erinnerung, auf der Suche nach seinem Mädchen. Ab und zu verläuft er sich „I nearly got killed during the Mexican War“. Eine etwas starre, formelhafte Darbietung ist das. Der Song wird wohl – wie zuletzt „Cold I rons Bound“ oder „High Water“ – erst live zu wahrer Größe finden. Das wehmütige „Forgetful Heart“ dagegen hat diese schon erreicht, erhebt sich aus einem Backing, das an ,Ain’t Talkin'“ erinnert. ,Jolene“ und „Shake Shake Mama“ dagegen sind erschreckend schwache Stilübungen in Blues-Rock.

Dazwischen allerdings erstrahlt der herrliche Tex-Mex von „This Dream Of You“ mit Fiddle, Akkordeon und Pedal Steel. Nur „Feel A Change Coming On“ ist noch schöner. „Fm lookin‘ the world over/ Lookin‘ far of into the Eeeast“, jauchzt Dylan da, und kurz denkt man, nun folge tatsächlich die langersehnte Rede zur Lage der Nation, doch stattdessen: „And I see my baby comin’/ She’s walkin‘ with the village beast.“ Ein Liebeslied also, und was für eins. Tänzelnd, flirrend, chaplinesk. Mike Campbells Gitarre, die sonst manchmal wie ein Fremdkörper wirkt in diesen archaischen Songs, fügt sich ein, Donnie Herrons Orgel wummert, und über allem schwebt Hidalgos Akkordeon. Der Cajun-Boogie „It’s All Good“ kann dieses musikalische Niveau fast halten. Und da ist er dann doch noch, der Song zum State of the nation. Tongue in check allerdings. „You know what they say, they say it’s all good.“ Da muss selbst Dylan lachen. Schon zum zweiten Mal auf dieser Platte.

Ein an einigen Stellen etwas unfertiges, fast leichtes Album ist „Together Through Life“ geworden, ohne gewichtige Kompositionen – hier im wörtlichen Sinn als „Zusammensetzung“ zu lesen—wie zuletzt „Workingman’s Blues #2“, „Nettie Moore“ oder „Ain’t Talkin'“, dafür mit einer Spontaneität und Launigkeit, die schon auf „Love And Theft“ beglückte und einer Wärme, wie man sie so lange nicht mehr gehört hat bei Dylan. Er scheint sich wohl zu fühlen in diesem Land. Es war eine langsame Heimkehr.

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