Burial Rival Dealer :: Es geht darum, keine Angst mehr zu haben und nicht aufzugeben und darum, dass man weiß, dass da draußen jemand ist, der über einen wacht und einen beschützt. Seine Musik, sagt Will Bevan, soll nun wie ein Schutzengel sein, eine gute Macht, die gegen die feindliche Welt wappnet, gegen die Dunkelheit und die Selbstzweifel. „Rival Dealer“(Hyperdub) heißt die neue EP, die der britische Produzent unter seinem Künstlernamen Burial herausgebracht hat, sie enthält nur drei Songs, knapp 30 Minuten, und doch sagt man nicht zu viel, wenn man sagt, dass sie die schönste und schutz-und hoffnungsspendendste Musik bietet, die man gegenwärtig irgendwo finden wird.

Und das von jemandem, den man bislang vor allem als Apokalyptiker kannte. Auf seinen ersten beiden Alben, „Burial“(2006) und dem epochalen „Untrue“(2007), entwarf er über scherengeklapperartigen Beats und schweren magnetischen Bässen dunkel hallende Klangräume, aus denen alles Menschliche verschwunden schien. Gerade, dass noch ein paar Fetzen gebarmten Gesangs durch den Äther wehten – doch wirkten diese derart diffus und irrlichternd, dass man nicht einmal zu sagen vermochte, ob hier eine Frau sang oder ein Mann oder ein Countertenor. Lange bevor James Blake zum Inbegriff des neuen elektronischen Songwritertums wurde, erschuf Burial mit den Mitteln des Dubstep einen wahrhaften Autoren-Pop: So posthuman seine Musik auch wirkte, so charismatisch individuell war ihre Anmutung; so wie er klang seinerzeit niemand sonst.

Was natürlich eine Vielzahl von Epigonen erzeugte: Die Bässe, die Melancholie, die wehenden Fetzen wurden geradezu zu Erkennungsmotiven der ambitionierten Post-Dubstep-Musik. Burial selbst hingegen verschwand jahrelang in der Versenkung, um auch später nur mit sporadischen Lebenszeichen zurückzukehren. Nach „Untrue“ brachte er keine Langspielplatte mehr heraus, sondern nur einige EPs und Singles, er kokettierte mit käsigen Synthesizerarpeggien oder -auf „Street Halo“ (2011) – mit den lasziv schwingenden Rhythmen des Chicago House. Eine gewisse Richtungslosigkeit war hier nicht zu leugnen, zuletzt auch wurden die Produktionen von Burial immer hörspielhafter und musikalisch inkonsistenter.

Auf „Rival Dealer“ ist das nun völlig anders, es die innovativste und dramaturgisch überzeugendste Platte, die er seit „Untrue“ herausgebracht hat. Fast alle vertrauten Klangsignaturen sind in ausgeformter Weise zu finden: das helle grundierende Knistern, das von leichtem Landregen kommen könnte oder von vernutztem Vinyl; das Geklapper; die Bässe; die wehen Gesänge. Doch wo gerade diese Gesänge bislang nur als Klangquelle unter anderen dienten, entfalten sich aus ihnen nun Leitmotive, Muster, ganze Geschichten. Immer wieder wird die Frage danach gestellt, was das heißt, wenn man „ich“ sagt; wie man sich selber annehmen kann, wenn man anders als die anderen ist; wie man zu jemandem wird, der sich selber liebt und so auch „geliebt werden kann“ – so der Kernsatz am Schluss des letzten Stücks „Come Down To Us“, in dem Burial eine ergreifende Rede der transsexuellen Filmemacherin Lana Wachowski gesampelt hat.

So dunkel und apokalyptisch die Welt noch immer ist, die Burial mit seinen Klängen und Beats erzeugt -so hell strahlt hier nun erstmals die Euphorie solcher Stimmen, die die Dunkelheit überwunden haben und mit ihr die Welt. Aus dem abstraktesten Pop der vergangenen Jahre ist eine große, zutiefst politische Musik geworden: eine Musik, die alle angeht, die von Pop noch etwas erwarten.

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