Clinic – Winchester Cathedral

Bei einem Konzert in München im November letzten Jahres spielten Clinic ohne ihren Sänger Ade Blackburn (aber natürlich mit Mundschutz und in Ärztekluft), der am Abend ins Krankenhaus (ha!) eingeliefert worden war. Man war sich nicht sicher, ob es sich tatsächlich um etwas Ernstes oder doch um eine Inszenierung handelte – für sowas hatten die Artschool-Typen von Clinic schon immer etwas übrig. Jedenfalls sangen die Verbliebenen die gleichen Harmonien, spielten die gleichen Akkorde wie sonst auch, und der Platz, an den der Gesang gehörte, blieb einfach unbesetzt. Das Experiment funktionierte erstaunlich gut Nicht nur waren Clinic den erstmals Deutschland berauschenden Franz Ferdinand im Vorprogramm mindestens ebenbürtig, man hörte auch, wo die Thronfolger zickigen Rhythmus und tightness abgeschaut haben könnten. Moderne Tanzmusik mit Gitarren. Über diese verwaisten Tracks hätten auch die frühen Sparks singen können.

„Winchester Cathedral“ unterscheidet sich beim ersten Hören nur wenig vom letzten Album „Walking With Thee“ von 2002. Die Eklektizismen des Debüts „Internal Wrangler“ sind endgültig zu einem eigenen Stil kanalisiert Jazz, R&B, Klezmer, Disco und Indie-Rock werden angespielt, als gehörten sie schon immer irgendwie zusammen.

Alles beginnt mit dem aussetzenden Herzschlag via EKG. „Country Mile“ ist „Vintage Clinic“, wie man so sagt – nervös und faltenlos, „Circle Of Fifths“ fuhrt das Piano ab Rhythmusinstrument wirkungsvoll ein, „Anne“ beginnt mit der typischen Clinic-Melodica, die sich wieder durch (fast) alle Songs zieht „Winchester Cathedral“ ist eine Variation, eine Verfeinerung, mit einigen neuen Verästelungen. Da sind beispielsweise das versponnene Instrumentalstück „Vertical Take Off In Egypt“ (wohl ihre Version von „Interstellar Overdrive“), das ungewöhnlich gebremste „Home“ und die Soulballade „Falstaff“, die dem Vertrauten neue Aspekte abgewinnen.

Ein Album wie ein Urlaub in den eigenen vier Wänden mit einem neuen Muster in der Tapete.

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