COLDPLAY Köln, E-Werk :: Das Wichtigste zuerst: Coldplay haben einen eigenen Sternenhimmel dabei. Doch noch bevor man „Sternenhimmel! Yeah! Yeah! Yeah!“ rufen kann, stellen sich eher ungute Assoziationen ein: Keine Ahnung, woraus die Dinger sind, die da von der Bühnendecke baumeln, aber das Bild, das sich beim Betreten des prallgefüllten E-Werks bietet, gemahnt doch arg an jene Deckenbeklebungen, die junge Eltern ihren kleinen Kindern zu Beruhigungszwecken übers Bettchen pappen. Dazu läuft sedierende Musik vom Band. Also beim Coldplay-Konzert jetzt, nicht bei den Kindern. Obwohl: bei denen ja auch. Wollte man es sich leicht machen, wäre jetzt prinzipiell alles schon gesagt: Coldplay haben einen Sternenhimmel, und bevor sie die Bühne betreten, wird man mit Puschelmusik vom Band mürbe gemacht. Man könnte eigentlich nach Hause gehen.

Aber dann hätte man erstens die Laserharfe verpasst, und zweitens will man es doch so gern anders versuchen: Warum nicht einfach mal alles, was sich in all den Jahren an blöder, engstirniger, herzenskalter Meinung über Coldplay angehäuft hat, vergessen („fade Gefühlspumpen mit enervierend an-und abschwellender Stadionkitschmusik und offenkundigem Zugang zu dem gesamten Welt-Laser-Arsenal“) und das Quartett als verführerische Popband, als Magier des Post-Alternative-Pop begreifen? Die sie ja schließlich sein müssen, wenn man den vielen funkelnden Augen glauben darf. Hier soll an diesem Frühlingsabend im Rahmen eines „exklusiven Radiokonzerts“ erstmals das neue Album in Deutschland vorgestellt werden. Wo, wenn nicht hier, ließe sich die Erfolgsband aus der Nähe dabei beobachten, wie sie ein paar neue Zaubertricks vorführt, die ihren Ruf als Pop-Macht zementieren?

Das Gute an Radiokonzerten: Sie gehen pünktlich los. Musikerausreden wie „Toilettentür nicht auf bekommen“ werden hier nicht akzeptiert, schließlich wird alles live übertragen. Und so stehen Chris Martin und Kollegen pünktlich um kurz nach neun auf der Bühne und eröffnen unter lautem Jubel und dem obligatorischen Auffl ackern zahlloser Smartphones mit dem neuen Song „Always In My Head“. Erkenntnis Nummer eins: Coldplay sehen 2014 immer noch aus wie vier Typen, die man im InterRail-Urlaub an einem griechischen Strand kennenlernen könnte. Erkenntnis Nummer zwei: Coldplay klingen nach wie vor wie die Chris de Burghs des Post-Alternative-Pop. Es ist schlichtweg alles wie immer: Die Musik schwillt an und ab, Chris Martin springt bald linkisch, bald von sich selbst berauscht in der Gegend herum, die Gitarren klingeln U2-esk, der Gesang schöntönt durch Martins Nebenhöhlen, und man erwartet sekündlich, dass eine vertrauenstiftende Stimme ertönt, die versucht, einem ein Auto oder eine Versicherung anzudrehen.

Dann kommt endlich die Laserharfe. Während Martins Vocals bei der Single „Midnight“ durch den Vocoder gejagt werden, bedienen er und Bassist Guy Berryman das von Jean Michel Jarre in den Siebzigern bekannt gemachte Instrument, bei dem die Finger über vom Boden aufsteigende Laserstrahlen tanzen: totaler Blödsinn, aber super! Zumindest wenn ein durchgeknallter Franzose es spielt und donnernder Science-Fiction-Pomp dabei herauskommt. Bei Coldplay fehlen leider der Wille zum Wahnsinn und das aufgeknöpfte Rüschenhemd. Stattdessen obsiegt mal wieder Gefühligkeit. Auch Gitarrist Will Champion darf ein tolles Gerät bedienen. Es heißt Reactable und sieht aus wie ein leuchtendes Spielebrett. Abermals gehen alle Smartphones hoch. Das Publikum hält drauf, was durchaus sinnstiftend ist: Beim bloßen Zuhören wird man rasch von Ödnis übermannt und denkt wieder über den Sternenhimmel nach.

Klarer Sieger: „Viva La Vida“. Vor lauter Geschrei und Armehochreißen vergessen die meisten sogar das Mitfilmen. Das Stück – zigmal im Radio und im Supermarkt gehört -bleibt ein toller Popsong. Eine Erinnerung daran, dass Coldplay mal mehr konnten, als mit Laserharpunen durch emotionales Brackwasser zu tauchen. ERIC PFEIL

Die Show als Essenz

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