Culture :: Two Sevens Clash

Eher apokrypher Klassiker des Reggae der Siebziger.

Wie „Catch A Fire“ war auch „Two Sevens Clash“ vier Jahre später ein Statement, das zum Meilenstein in der Geschichte des Reggae wurde, obwohl nie und nirgendwo ein Bestseller wie die Platten der Wailers oder Ohrwürmer von Jimmy Cliff und Toots & The Maytals. Obwohl reich an Pop-Qualitäten, wandte sich diese LP mit ihren rebellischen Botschaften mehr an die Überzeugten und den inneren Zirkel der Reggae-Fans. Das änderte sich auch nicht entscheidend, als Richard Branson die nächsten LPs auf einem eigens gegründeten Sub-Label von Virgin Records rausbrachte.

In England erschien „Two Sevens Clash „ja auf Lightning Records, einem kleinen, von WEA vertriebenen Label. Der Name von Leadsänger Joseph Hill und seinen beiden Sangeskollegen tauchte damals auf der LP-Hülle nirgends auf, sehr wohl der von Produzent Joe Gibbs, seinem Tonmann Errol Thompson und allen 13 Session-Musikern. Und dick der Vermerk „Another Joe Gibbs Production“. Womit die Machtverhältnisse wieder mal klargestellt waren. Das Musikgeschäft in Jamaika wurde, wie nicht nur Jimmy Cliff jederzeit unter Eid aussagen würde, von einer Handvoll Produzenten kontrolliert, und dass es da teilweise kriminell zuging, führte schon in den frühen 70er Jahren die Outlaw-Saga „The Harder They Come“ als B-Picture sehr sinnlich vor Augen. Mit seinen Soul Defenders hatte sich Hill zu derselben Zeit schon verschiedentlich bei prominenteren Interpreten als Session-Band verdingt, es mit eigenen Singles aber nie weit gebracht. Als man sich in Culture umbenannte, wurde Gibbs doch aufmerksam. Das Trio durfte im Studio vorspielen, und er ließ gleich mal die Bänder mitlaufen. Im Zweifelsfall konnte man mittels Playback daraus „richtige“ Aufnahmen produzieren. Was dann auch passierte.

Die Idee zum Titelsong kam Hill nach eigenen Aussagen plötzlich als er mal in einem Bus fuhr und ihm einfiel, dass am 7.7.1977 ja die Welt untergehen sollte. Das war dann aber doch – egal, was Marcus Garvey prophezeit hatte oder man der Geheimen Offenbarung des Heiligen Johannes meinte entnehmen zu können – ein recht munteres, sogar fröhliches Lied, was er dann zur Apokalypse schrieb. Der Untergang fand nicht statt, und in einem Interview konnte der sehr lebendige Joseph Hill fünf Jahre später erzählen, dass er in First Spring, Saint Andrews, sieben verschiedene Regenbogen am Himmel habe aufziehen sehen. Er habe sich sogar mit einem Taschentuch die Augen gewischt, um sicher zu sein, dass das Realität sei, was er da erlebte. An erstklassigem Songmaterial mangelte es dem Trio sicher nicht. Trotzdem fand sich nirgends ein Hinweis irgendwo im Kleingedruckten darauf, wer das geschrieben hatte. Nur wer als Produzent und Arrangeur fungierte, erfuhr man (Gibbs und sein Tonmeister natürlich). Es ist müßig, darüber zu spekulieren, was passiert wäre, wenn sich Chris Blackwells Team dieses Trios mit derselben Sorgfalt und kommerziellen Cleverness angenommen hätte, mit der sie die Karriere der Wailers und die ihres Superstars in die Gänge gebracht hatten. Im Vergleich zu deren LPs klingt „Two Sevens Clash“ sogar irgendwo underproduced. Was immer man bei Shanachie für diese Neuausgabe als Band zur Verfügung hatte: Im Vergleich zum Vinyl-Original klingt das jetzt doch hörbar etwas „beschleunigt“ in der Tonhöhe (sprich: etwas speeded up), mit (unnötig) vielen Höhen und nicht so satten Bässen. Der sonst sehr zuverlässige Remastering-Ingenieur, der in den Capitol Studios an der Vine Street die Neuüberspielung vornahm, konnte bei den Bonus-Tracks (meist Maxi-Mixes) technische Mängel nicht komplett ausmerzen. In den Liner Notes erklären Lenny Kaye und andere berufene Zeitgenossen, warum sie dieses Werk so schätzen.

Um dann doch der Wahrheit die Ehre zu geben: Als Produzentin machte Sonja Pottinger bei den nächsten beiden Culture-LPs „Harder Than The Rest“ und „International Herb“ – mit weithin derselben Mannschaft – den klar besseren Job.

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