Das Parfüm

Vom Erfolg dieses Romans hat Patrick Süskind sich nie erholt. Mit klarer, dennoch einzigartiger Wortgewalt und ungeheuerem Elan erzählt er in „Das Parfüm“ ein finsteres Märchen um den Waisenjungen Grenouille, der zum Mörder wird, um endlich als Mensch wahrgenommen zu werden. Er ist mehr ein Neutrum als ein Monstrum, denn er riecht nach nichts, besitzt aber einen übersinnlichen Geruchssinn. Aus dem Körperduft von zwölf ausgesucht schönen, reinen Jungfrauen will er ein unwiderstehliches Parfüm kreieren. Vor allem Süskinds Sprachwitz, mit dem er nicht fassbare Gerüche im Kopf von Grenouille in unglaubliche Einzelteile zerlegt, macht den Sog der Geschichte aus. Daher hielt selbst ein visueller Visionär wie Stanley Kubrick das Buch für unverfilmbar. Wie soll man etwas bebildern, was man nicht sehen kann? Das schwer nachzuvoliziehen ist?

Nur Bernd Eichinger hat das nicht abgeschreckt. So besessen wie Grenouille bettelte der unerschütterliche deutsche Produzent jahrelang um die Filmrechte, schließlich trat Süskind jene für zehn Millionen Euro ab. Mit einem Budget von 50 Millionen Euro, dem ausgewiesenen Filmkünstler Tom Tykwer und prominenten Schauspielern hat er das Buch nun umgesetzt als üppigen Unterhaltungsfilm. Es ist die Essenz geblieben, das Sichtbare der sinistren Story, zusammengefasst von Andrew Birkin, der mit Eichinger auch für „Der Name der Rose“ das Drehbuch geschrieben hatte. Und wie damals beim Wälzer von Umberto Eco hätte man es – trotz einiger Mängel – kaum besser machen können, ohne als ambitionierter Außenseiter zu enden.

Großes Barockkino hat hier Tykwer inszeniert, mit Gewimmel in den Gassen und Kulissen aus dem Computer, das ihn endgültig in Hollywood empfehlen dürfte. Eine Schwäche aller Literaturverfilmungen ist die Erzählerstimme aus dem Off, die Leerstellen in der Dramaturgie füllt und chronologisch Disparates im Zeitraffer zusammenfügt. Und für eine so unauffällige Existenz wie Grenouille sieht Hauptdarsteller Ben Whishaw etwas zu hübsch aus, manchmal gar wie auf einem stilisierten Michael-Ballack-Poster. Offensichtlich ein Zugeständnis ans Publikum, um Sympathie zu generieren trotz seiner bestialischen Taten – was Süskind mit sprachlicher Finesse gelingt. Hier aber müssen es Bilder vermitteln. So signalisieren leuchtende Farben wie gelbe Mirabellen oder rote Haare einen angenehmen Duft – und matschige, monochrome Grautöne den Ekel. Nicht originell, allerdings enorm effektiv montiert Tykwer mit schnellen Schnitten ein Gemisch aus Schweiß, Fischköpfen oder knurrenden, an Kadavern nagenden Kötern, wenn Gerüche in Grenouilles Hirn explodieren. Großartig sind Dustin Hoffman als wehleidiger, dünkelhafter Parfumeur und Alan Rickman als strenger Fürst, der um seine Tochter bangt, sowie manche makabre Pointe.

Mitreißend und sehenswert ist „Das Parfüm“, aber wie bei allen Buchadaptionen gilt: Wer sie als Leser sieht, wird immer enttäuscht sein.

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