Das Spex-Buch :: von Max Dax und Anne Waak (Hg.)

Keine Butterkekse

Es muss an der Auswahl der Texte liegen, dass nach überraschend leichter Verdauung dieses Buches der Eindruck bleibt: alles halb so schlimm. Wenig Selbstbespiegelung auf Meta-Ebenen, keine Plattenkritiken über Butterkekse, kein rührender Drittsemestler-Stolz auf tapfer bewältigte Foucault-Lektüre, überhaupt kein Poststrukturalismus, nicht einmal ein Semiotik-Elaborat. Dafür fast nur Lesbares und manches durchaus Lesenswerte, nichts freilich, was unsereiner Überzeugung im Nachhinein erschüttern könnte, „Spex“ nie gebraucht zu haben. Gut, hätte ich Detlef Diederichsens Interview mit Brian Wilson schon 1989 zur Kenntnis genommen, wäre mir das ein Gespräch mit dem Autor wert gewesen, über Widersprüche in Wilsons Wahrnehmung etwa oder darüber, was denn „reichlich schräg“ ist an „I Get Around“. Musikologisches Gedankengut findet sich sonst nur ausnahmsweise, die Bürde, immanent nach Bedeutung zu forschen, setzt nicht zuletzt einen belastbaren empirischen Hintergrund voraus, einen Erfahrungsschatz. Da sich das Fehlen eines solchen nur halbwegs qua Sekundärliteratur kompensieren lässt, vermittelt mithin, bleibt es hier oft bei einer Bewertung von Beobachtungen Dritter. Nicht hingefaselt immerhin, nicht in eitler Feuilletonistenpose erstarrt, sondern mehr oder weniger neugierig, waghalsig, tiefschürfend, anmaßend, apodiktisch. Was nichts daran ändert, dass jenes selbstverpflichtende Postulat, „Musik zur Zeit“ zu behandeln, einen Webfehler im Denkmuster hat. Temporal wie perspektivisch, weil ja alles erst Wochen, Monate, Jahre post festum kommentiert und ins private Weltbild eingepflegt wurde. Gleichzeitigkeit, wie sie der „NME“ praktizierte, publizistisch auf einen hochdynamischen Prozess einwirkend, konnte auch das diskursfreudigste, reflexionsbesessenste Monatsblatt in der popmusikalischen Diaspora unmöglich leisten. Nicht dass man das bei „Spex“ nicht gewusst hätte: Der forsche Aufsatz „Böse Menschen haben keine Lieder“ von 1983 ist in erster Linie Apologie und Abgrenzung, behandelt jedoch unfreiwillig den Standortnachteil und den daraus resultierenden Provinzialismus. Eine rechtschaffene Tirade gegen „die grundehrlichen Rock’n’Roller“ wird allen Ernstes mit einem Kneipenschlager der Spider Murphy Gang und einer „widerlichen Platte“ von BAP unterfüttert.

Im Vorwort versteigt sich Max Dax zu allerlei Abstrusitäten. Wer Anfang der Achtziger „überhaupt teilnehmen wollte am Diskurs, musste ‚Spex‘ lesen“, lernen wir, denn englische Musikblätter seien „bei weitem noch nicht so selbstverständlich im Bahnhofsbuchhandel erhältlich“ gewesen wie heute. Doch, waren sie, seit 1960, problemlos. „In der ‚Spex‘, so Dax weiter, „wurden dem Leser Geheimwissen, die Uferlosigkeit universitärer Grammatik und abenteuerliche, nie zuvor gehörte Anglizismen zugemutet“. Kann sein, in den Artikeln dieses Best-of-Bandes allerdings nur selten, leider. (Metrolit, 28 Euro) WD

Der Titel ist etwas ungünstig gewählt, der Untertitel erhellender: „Wie Popstars ihre offenen Wunden in Treibstoff für Kreativität umwandeln“. Die Idee, ein Buch über den psychologischen Antrieb von Musikern zu schreiben, hatte Steve Blame schon vor Jahren -als MTV-Moderator traf er ja praktisch täglich gestörte Persönlichkeiten, die zu Popstars geworden waren: von Dave Gahan bis Madonna, von Elton John bis Whitney Houston. Die Gespräche analysiert Blame hier in drehbuchartigen Szenen mit einem Psychoanalytiker -und lässt auch seine eigenen Probleme nicht außen vor. (CreateSpace ,14,98 Euro) BF

In wenigen Monaten wird Ennio Morricone 85 – Grund genug für dieses opulente Earbook. Der Schnelldurchlauf durch das Werk des legendären Filmkomponisten (von „Spiel mir das Lied vom Tod“ bis „Django Unchained“) erfolgt in italienischer, englischer und (etwas hölzerner) deutscher Sprache. Allzu viele Details darf man nicht erwarten, aber solides Grundwissen und schicke Fotos und Filmplakate. Das Beste sind natürlich die vier CDs mit Ausschnitten aus Morricones Schaffen. (Edel, 39,95 Euro)

Die üblichen „Sex, Drugs &Rock’n’Roll“-Geschichten darf man von Dee Snider nicht erwarten. Er lernte mit 20 die Frau seines Lebens kennen, und Rauschmittel interessierten ihn nie. Er hatte genug mit dem Rock’n’Roll zu tun: Seine Autobiografie erzählt vom Aufstieg und Fall der Hairmetal-Giganten Twisted Sister -eine mehr als drei Dekaden umspannende Geschichte, die Snider fast ohne Selbstmitleid und mit viel Witz erzählt. Er war schon immer schlauer, als er aussah. (Gallery Books, ca. 19 Euro) BF

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