DEPECHE MODE :: Wien, MuseumsQuartier

Schon eindrucksvoll, welch ausgedehntes Bühnenprogramm Depeche Mode ab Anfang Mai stemmen werden. Der Tourauftakt in Tel Aviv wurde vorverlegt. Die große „Delta Machine“-Sause startet nun an der Côte d’Azur, im Palais Nikaia in Nizza. Unter Arena-Level läuft da gar nichts. Der Auftritt in der historischen Schüssel des Berliner Olympiastadions vor rund 70.000 Zuschauern im Juni dürfte da eine der großen Triumphnummern werden. Lichtdome über dem angrenzenden Marsfeld, das hat doch was. Schließlich gab es in der frühen Phase von Depeche Mode mal einen Song namens „Pimpf“ (NS-Jugendbewegung), und ihre frühen Schwarz-Weiß-Videos atmeten mitunter den Geist Leni Riefenstahls.

Nun hat sich die Kernmannschaft Martin Gore, Dave Gahan und Andrew Fletcher längst von der eisenklöppelnden Elektronik der Achtziger verabschiedet und sich einem bluesrockigen Breitwandsound im größtmöglichen Format verschrieben. Sie sind die einzige Band aus der New-Wave-Ära, die in der Rolling-Stones-Liga spielt. Dazu gehört auch ein ziemlich hemmungsloser Flirt mit allerlei Sponsoren. Das Aufwärmen für 2013 hat ein deutscher Telefonkonzern spendiert, der über seine „Electronic Beats“-Reihe das Auslandsmarketing emotional aufpimpt.

So wählte man diesmal die neobarocke Veranstaltungshalle des Wiener MuseumsQuartiers -auch um die voll eingespannte Band nach ihrem Auftritt bei „Wetten, dass..?“ abzugreifen. Das familiäre und unangepasste Umfeld ihres langjährigen Stammlabels Mute hat sich endgültig aufgelöst zugunsten eines amerikanisches Aktenkoffer-Managements, das heuer auf vollste Vermarktung setzt. Ihr dreizehntes Album muss zur Cashmaschine werden. Maximales Abfischen im Mainstream. Aus Vermarktungsperspektive sind Depeche Mode 2013 auch nichts anderes mehr als seinerzeit Genesis, Bon Jovi oder die Stones mit ihrer eigenen VW-Golf-Edition.

Doch all das ist erst mal vergeben und vergessen, als Dave Gahan kurz nach Neun mit Borussia-Dortmund-Weste (vorn schwarz, hinten gelb) wie ein Flamingo auf die Bühne stakst. Nicht nur der vor uns sitzende „Depeche Mode Club Chemnitz“ ist völlig aus dem Häuschen. Die Magie der Molltöne funktioniert noch. Der sogenannte „Album Launch Event“ in Wien beginnt mit dem neuen Song „Angel“, der mit seinen schleifenden Beats von einem funkelblinkenden Dauergeblitze im Publikum begleitet wird. Der übliche Smartphone-Bildersturm zur Selbstvergewisserung, dass man das Konzert auch miterlebt hat. Das mächtige Schlagzeug ihres österreichischen Tour-Drummers Christian Eigner ist zentral platziert. Als gelte es, die alten elektronischen Zeiten auch optisch endgültig zu beerdigen.

Eigner drischt auf seine Schießbude ein wie das Schlagzeugtier aus der „Muppets Show“ und verortet Gahan, Gore und Synthie-Mann Fletcher mit seiner bollernden Rhythmusarbeit ins Reich der gestandenen Rocker. Im scharfen Kontrast zu ihren frühen elektronischen Liveshows, die stets etwas blutleer und statisch wirkten, lassen die späten Depeche Mode keinen Zweifel: Der Herbst ihrer Karriere gehört der (blues)rockigen Interpretation. Auf diese Weise lässt sich in dem auf zehn Songs beschränkten Set auch das düster dräuende „Barrel Of A Gun“ vom „Ultra“-Album unterbringen. Mit gothicmäßiger Dunkelmann-, Höhlen-und Totenkopf-Optik im Begleitfilm. Man bekommt eine recht gute Vorstellung von den kommenden Vollzeit-Konzerten der Band, in der die neuen Songs des electroblueslastigen „Delta Machine“-Albums das wertige Füllmaterial der großen, umkreischten Hits abgeben werden. Exemplarisch passiert das etwa beim semiakustischen Übergang vom (bislang nur selten aufgeführten) „Only When I Loose Myself“ zu „Personal Jesus“. Das Intro hätte selbst dem guten Johnny Cash -der Herrgott hab‘ ihn selig -alle Ehre gemacht.

Fünf neue Songs, fünf Hits beim Wien-Konzert: Nach dieser Formel treten Depeche Mode endgültig in den Herbst ihrer Karriere ein. Glamrock For The Masses. Ihre Show erinnert nur noch vage daran, wo sie einmal hergekommen sind. Von der Synthieavantgarde zum Pophit zum gut abgehangenen Mick-Jagger-Posertum. „Enjoy The Silence“ wirkt dann auch wie eine gekonnt aufgespielte Version für eine Fanschar, in der ewige New Romantics friedlich schwelgend ihren Film fahren können – neben Geschäftsführern in Antik-Lederjacken mit Harley-Davidson-Aufnähern. Depeche Mode sind in ihrem 33sten Jahr zu einer rundherum konsensfähigen Volkspartei des Popbiz geworden.

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