Der Quotenverbesserer :: Hans Weingartner plädiert für geistige Befreiung – und stellt sich dumm an

Selbst der Satan hat nicht einen so miesen Ruf. Seit der ersten Sendeminute wird Fernsehen gleichgesetzt mit geistigem Niedergang. Die Kulturoberen hatten damals ja auch einiges zu verlieren: Man schaute nicht mehr zu ihnen auf, sondern tief in die Kanäle. War es früher die Tatsache, überhaupt vor diesem Flimmerkasten zu hocken, die einen zum Banausen machte, sind es heute die Inhalte, vor denen gewarnt wird. Unterschichtenfernsehen, Trash-TV – das sind die Schlagworte, an denen sich Vordenker täglich mal nur noch sarkastisch, mal immer noch missionarisch abarbeiten.

Zu eher Letzteren gehört der Regisseur Hans Weingartner, seit „Die fetten Jahre sind vorbei“ ein Dokumentarist der gescheiterten Ideale. Seine Grundthese formuliert in seinem Kinofilm „Free Rainer – Dein Fernseher lügt“ (Start: 15.11.) der bekehrte, von Moritz Bleibtreu gespielte TV-Produzent Rainer: „Wer immer Dreck gesehen hat, will nur noch Dreck haben.“ Gewöhnung halt, der Fernsehzuschauer als Pawloscher Hund. Rainer hat nach einem schweren Autounfall eine Erleuchtung, wandelt sich vom koksenden Psycho zum manischen Kreuzritter und plant die Trutzburg der Verdummung zu schleifen: die Einschaltquote. Mit einem Kader aus einer hübschen Rächerin und – stellvertretend für das Volk – fünf Arbeitslosen manipuliert er jene 5500 Boxen bei ausgewählten GEZ-Zahlern, anhand der die Quote hochgerechnet wird, bis Dokumentationen über das alte Ägypten oder Fassbinder-Filme an der Spitze liegen und die Sender umdenken. „Befreite Haushalte“ heißt das im reinsten Autonomen-Jargon.

Man kann es auch Umerziehung nennen. Weingartner hält fernsehende Bürger zwar nicht für blöd, allerdings für unmündig – stellt also das demokratische Prinzip an sich in Frage. Doch die Frage, ob zuerst die dummen Konsumenten oder das dumme Angebot da waren oder eher beides relativ ist, wird kaum zu klären sein. Selbst Schlaumeier gucken den einen oder anderen Schrott, auch finden sich in dem ganzen Dreck immer wieder Perlen mit hohen Einschaltquoten. Ganz dämlich ist die Mehrheit also nicht. Floppt aber etwas vermeintlich Anspruchsvolles, wird gern eitel und schmollend erklärt, es sei zu gut gewesen, die Zuschauer hätten es nicht verstanden.

Als Individuum fällt es einem natürlich schwer zu akzeptieren, dass die Masse regiert. Dafür kann sich jeder in Nischen das Wahre, Schöne und Gute heraussuchen, und der Rest hat uns noch immer keinen Untergang beschert. Und überhaupt: Was ist Qualität – vor allem in der Kunst und Populärkultur? Wer legt das fest? Letztlich geht es nur um Meinungshoheit. Das Duell zwischen Quote und Qualität erscheint wie die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub, der Diktatur der Masse und dem Terror der Geschmackselite.

Mit seinem Film versucht der Quotenverbesserer Weingartner nun die Quadratur des Kreises aus Verschwörungs-Thriller. Charakterdrama und Komödie. Satire aber handelt davon, dass man die Dinge nicht ändern, also nur noch darüber lachen kann. Für Weingartner wäre das zynisch. Deshalb wirkt hier auch der beste Witz noch pädagogisch wertvoll, deshalb zeigt er als Alternative zum Fernsehen: Lesen. Als gäbe es nicht auch Schundliteratur. Das nennt Weingartner „das Leben leben“. Privat schaut er Naturdokumentationen im Fernsehen. Und Kinofilme hätten dort nichts zu suchen.

Seiner wird da trotzdem bald laufen.

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