Thomas Vinterberg :: Die Kommune

Unter Theatermachern ist es in den vergangenen Jahren äußerst beliebt geworden, erfolgreiche Filme für die Bühne zu adaptieren. Wenn es ganz schlimm kommt, im Fall von „Rocky“ und „Das Wunder von Bern“ etwa, auch noch als Musical. Aber selbst Arthaus-Filme wie „Kalender Girls“ oder „Ziemlich beste Freunde“ werden zu gefälligen Theaterabenden zurechtgestutzt, und das junge Publikum soll mit Adaptionen von „Die fetten Jahre sind vorbei“ und „Bang Boom Bang“ in die Schauspielhäuser der Republik gelockt werden.

Man freut sich ja, wenn die maladen Bühnen mal ein bisschen Geld einnehmen, aber künstlerisch besonders wertvoll sind solche Adaptionen in der Regel nicht. Natürlich gilt das nicht in jedem Fall. Der Film des dänischen Regisseurs Thomas Vinterberg „Das Fest“ zum Beispiel war in seiner Bühnenfassung so erfolgreich, dass das Wiener Burgtheater gleich eine Fortsetzung anforderte, die Vinterberg mit„Das Begräbnis“ auch lieferte. Man könnte einwenden, dass die Filme der Dogma-Bewegung, die Vinterberg Mitte der Neunziger mit seinen Landsleuten Lars von Trier, Kristian Levring und Søren Kragh-Jacobsen ins Leben rief, mit ihrem seltsamen Reinheitsgebot gar kein richtiges Kino waren. Ganz sicher ist „Das Fest“ in seiner räumlichen und zeitlichen Konzentration aber eine Ausnahme, die die Regel bestätigt.

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Vinterberg hat auch „Die Kommune“ zunächst für die Bühne geschrieben und nun für den Film adaptiert. Erstmals arbeitete er wieder mit den „Das Fest“-Darstellern Trine Dyrholm und Ulrich Thomsen zusammen. Während Vinterberg seinen Erfolgsfilm aus den Neunzigern jedoch mit einem Knall begann – der Patriarch wird auf einer Familienfeier des sexuellen Missbrauchs bezichtigt –, um dann zu beobachten, wie sich die Wogen langsam glätteten, ist „Die Kommune“ eine Implosion, denn der Film beobachtet, wie sich ein Problem langsam in eine Familie einschleicht.

Auch beim Cast gibt es Parallelen zum Dogma-Erfolg. Der Film erzählt von der Nachrichtensprecherin Anna (Dyrholm), ihrem Ehemann, dem Architekturdozenten Erik (Thomsen), und der 14-jährigen Tochter Freja. Als Erik das Haus seines Vaters erbt, ist für ihn klar, dass es verkauft wird – zu groß und zu teuer ist die Villa in der Nähe von Kopenhagen. Doch Anna, die vom Ehealltag gelangweilt ist, will das neue Haus behalten und es mit Leben füllen. Sie überredet Erik, dort mit Freunden einzuziehen, und schon bald wird aus der herrschaftlichen Villa eine bunte Kommune. Aber als Erik sich in eine Studentin verliebt, muss sich Anna erneut die Frage stellen, wie sie denn eigentlich leben will. Vinterberg ist selbst in einer Kommune aufgewachsen, und das wird deutlich, denn obwohl die Geschichte nicht autobiografisch ist, wird das Experiment, eine andere Lebensform als die Kleinfamilie zu finden, durchweg ernst genommen.

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Diese Kommune dient nicht als Vorlage für plumpe Witze über körnerfressende Strickhippies mit ewigen Plenumsdiskussionen. Vielmehr scheint hier die soziale Utopie zu funktionieren – zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Zugleich ist die Kommune der größte Schwachpunkt des Films, denn ihr Zusammenhalt wird lediglich behauptet. Beim WG-Casting wird jeder Mitbewohner mit ein paar Charakterzügen skizziert, dann stimmt man über verschiedene Dinge ab, geht nackt baden, und fertig ist die Wohngemeinschaft. Viel mehr dramaturgischen Unterbau bekommt die Wahlverwandtschaft der Bewohner nicht. Und nur weil der Film in den 70er-Jahren spielt, regiert hier nicht die freie Liebe – das Zusammenleben gleicht in puncto Sittsamkeit eher den „Golden Girls“ als der Kommune I. Denn für Anna ist zwar das Konzept des Zusammenlebens als Kleinfamilie obsolet, aber die monogame Beziehung hat sie nie infrage gestellt.

Die Kommune ist somit nicht viel mehr als der Hintergrund für eine handfeste Ehekrise – aber genau die erzählt Vinterberg höchst eindringlich. Und wie Trine Dyrholm die lebenslustige Frau spielt, die verzweifelt versucht, sich der emotionalen Herausforderung zu stellen, wenn Herz und Verstand sich aneinander reiben, ist unglaublich eindrucksvoll. Dafür erhielt sie auf der diesjährigen Berlinale hochverdient den Silbernen Bären als Beste Darstellerin.

So ist „Die Kommune“ zwar kein wirklicher Ensemblefilm, aber Vinterberg weiß mit einem gut austarierten Verhältnis von Humor und Tragik und einem charmanten Zeitkolorit leichte Schwächen zu kaschieren. Und sollte Vinterberg aus der Kommune tatsächlich ein Musical machen wollen, wäre Trine Dyrholm erneut die beste Wahl, denn mit ihrer EP „Mr. Nice Guy“ war die Schauspielerin, die bereits als Teenager in einer erfolgreichen Popband sang, 2004 rekordverdächtige 62 Wochen auf Platz eins der dänischen Charts. von Cornelis Hähnel

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