Dion – The Road l’m On: A Retrospective /Dion/70’s – From Acoustic To The Wall Of Sound/Don’t Start Me Talkin‘: Columbia Recordings 1962-1965

Auf dem Weg vom Teenager-Idol über den Blues bis zu Jesus und letzthin doch zurück zum Blues, zu Skip James und „Devil Got My Woman“ hat Dion DiMucci so manches Tal durchmessen, in das ihm wohl niemand gern gefolgt wäre. Mehr Comeback-Versuche hat kaum jemand hinter sich. Im Gegensatz zu Kollegen wie Del Shannon gab er sich nie auf. Nach langer Heroin-Abhängigkeit kehrte er 1968 zu Laurie Records zurück und hatte dort fünf Jahre nach „Drip Drop“ wieder einen Top Ten-Hit mit „Abraham, Martin And John“. Das war zwar ein recht sentimentales Lied über die Ermordung von Abraham Lincoln, Martin Luther King undjohn F. Kennedy, aber wie Dion das a la Tim Hardin mit Würde überzeugend vortrug, war zweifellos doch eindrucksvoll.

Auf „Dion“ (3,5 Ace/Soulfood) machte er aus Vorlagen wie Jimi Hendrix‚ „Purple Haze“ richtige Elegien, ganz so als wollte er“Sweet Baby James“ von James Taylor vorwegnehmen. Bei den Fred-Neil-Klassikern passte das, bei Leonard Cohens „Sisters Of Mercy“ sowieso. Gar nicht übel war da auch seine Deutung von Joni Mitchells „Both Sides Now“. Aber ein wenig gewöhnungsbedürftig zumindest doch, dass und wie er aus Stevie Wonders „Loving You Is Sweeter Than Ever“ eine traurig grundierte Ballade machte. Sogar sein „Sun Fun Song“ klang überhaupt nicht fumy oder sunny, sondern mehr nach Tim Hardin und „Reason To Believe‘ – Resignation – trotz des bei „All You Need Is Love“ abgekupferten Finales. Die opulenten Orchesterarrangements mögen nicht jedermanns Sache sein. Sogar bei dem Drogensong „You Better Watch Yourself (Sonny Boy)“ von Lightnin‘ Hopkins mochte er darauf nicht verzichten. Aber in der Remaster-Ausgabe von Ace Records klingt das alles ganz fabelhaft.

Das Reunion-Konzert vom 2. Juni 1972 mit den Belmonts im Madison Square Garden war zwar ein voller (auf Platte dann kleiner) Erfolg, und bei Warner Bros, finanzierte man ihm während der 70er Jahre eine Singer/ Songwriter-Karriere, sechs LPs mit höchst ungleichmäßigen künstlerischen Ergebnissen, aus denen Ace Records ein Destillat der 21 relativ besten Aufnahmen zusammenstellte: „70’s – From Acoustic To The Wall Of Sound“ (3). Statt Phil Spector hätte er bei Songs wie „Born To Be With You“ damals schon gleich seinen erklärten Fan Dave Edmunds als Produzent anstellen sollen. (Den engagierte er erst viel später.) Der hätte den Job mit mehr Einfühlungsvermögen, Finesse und Klasse erledigt. Songs wie „Queen Of 1959″ waren da pure Nostalgie wie „Disney Girls (1957)“ von den Beach Boys. Richtig hübsche Balladen wie „Josie“ gelangen ihm auch zwischenzeitlich. So was wie Mort Shumans/Jacques Brels „If We Only Have Love“ lag ihm tatsächlich. Eine der passableren Wall-ot-sound-Produktionen war „Only You Know“. Beim Smokey-Robinson-Klassiker „The Way You Do The Things You Do“ gab er einen überzeugenden Crooner. Aber ausgerechnet den Jeff Barry/Phil Spector-Pop „Baby Let’s Stick Together“ versemmelte er. Der klang irgendwie auch noch stark nach demjohn Lennon von „Walls And Bridge*“. Da nahm man einem italo-amerikanischen Doo-Wop-Kid aus der Bronx den „New York City Song“ schon weit eher ab. Eine wie gesagt ziemlich durchwachsene Kollektion, aber mit manchen Höhepunkten und ganz exzellenten Liner Notes.

Von den beiden Retrospektiven, die SPV jetzt veröffentlichte, ist „The Road Im On“ – Tracklisting, Remastering und Liner Notes inklusive – zur Gänze identisch mit der Columbia Legacy-Edition von 1997, also ein vorzüglicher Überblick über seine CBS-Jahre, während der er im tiefsten Drogensumpf steckte. Bedauerlich nach wie vor, dass die hervorragende Cover-Version von Bob Dylans „Baby, Im In The Mood For You“ auch bei dieser Neuauflage fehlt und man sich auch nachträglich nicht dazu durchringen mochte, wenigstens ein paar der besten Aufnahmen von dem von Dave Edmunds produzierten „Yo Frankie“ in Lizenz zu übernehmen – gewissermaßen als sprichwörtliches Sahnehäuhchen auf der Buttercremetorte. Das war 1989 das Album, das er rechtzeitig zu seiner Aufnahme in die „Rock And Roll Hall Of Fame“ vorlegte.

Statt dessen wählte man für „Don’t Start Me Talkin‘: Columbia Recordings 1962-1965“ (4, Blue/SPV) aus der Columbia-Ära Aufnahmen aus, mit denen sich das Teen-Idol zu den Rock’n’Roll- und Blues-Idolen seiner Jugend bekannte. Und was wohl weithin in Vergessenheit geriet, wird hier höchst angenehm bestätigt: Von großen Vorlagen wie dem Doc Pomus/Mort Shuman-Klassiker „Troubled Mind“ lieferte Dion hervorragende Interpretationen ab (von Mort Shumans Blues ,All I Want To Do Is Live My Life“ auch). Erstaunlich originell klingen seine Versionen vermeintlich zu Tode gespielter Blues-Klassiker („I’m Your Hoochie Coochie Man“, „Spoonful“, „Don’t Start Me Talking“, „Drop Down Baby“). Von ihm selber geschrieben, ist „Two Ton Feather“ seine Hommage an Willie Dixon und „Kickin‘ Child“ seine fulminante und brillant musizierte an den Dylan von „Bringhig It All Back Home“. Die Liner Notes zitieren ihn wieder mit dem Geständnis: „I was a Hank Williams Junkie.“ An den traute er sich damals aber offenbar nicht heran. Aber dass er ein ungleich vielschichtigeres Talent war als gemeinhin bekannt, weiß jeder, der seine Platten mit Rockpile, k.d. lang, seinem Fan Lou Reed und Paul Simon kennt.

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