Donald Fagen :: Eminent Hipsters

Eine von vielen wichtigen Neuerungen, die Steely Dan ins Regelbuch der Popmusik einführten, war ja, dass die Macher selbst komplett im Hintergrund blieben. Sie sangen nicht über sich und ihre Seelennöte, sie dachten sich Geschichten und Szenarien mit den entsprechenden Personen aus. „I“, „me“ und „my“ bezog sich in ihren Songs nie auf die Herren Fagen und Becker. Vielleicht gibt es nun einen Nachholbedarf. „Eminent Hipsters“ tritt nicht auf als großes Enthüllungsbuch, eher als „mixed bag“: kurze journalistische Stücke über Fagens Lieblingsmusiker (Ray Charles, Ennio Morricone, die Boswell Sisters), ein Kapitel, in dem er sich an seine Studentenzeit zurückerinnert und – das ist ungefähr die Hälfte des Buchs – sein Tagebuch von einer Tour, die er zusammen mit Boz Scaggs und Michael McDonald als The Dukes Of September im Sommer 2012 unternahm. Und hier bekommen wir tatsächlich tiefe Einblicke,  wie einer der beiden Typen tickt, die sich „Kid Charlemagne“ und den „Third World Man“ ausgedacht haben, und den betrogenen Ehemann, der seine Gattin zu mäßigen versucht mit den Worten: „Turn up the Eagles, the neighbors are listening“. (Und das schon 1976!)

Wir lernen: It ain’t easy being Donald Fagen, es ist eher die Hölle. Schlaflosigkeit, Insektenbisse und Luxushotels, die ihm irgendwie gerade nicht passen, sind da noch das Geringste im Vergleich mit jenem tiefen Kulturpessimismus, der sich an denselben Umständen entzündet wie schon 1980 im Song „Hey Nineteen“: „Hey Nineteen, that’s ’Retha Franklin/ She don’t remember/ The queen of soul …“ Dass nicht alle Erdenbürger mit einem Genie-IQ gesegnet sind, liegt laut Fagen übrigens am Fernsehen. Dass so eine Type eine Musik macht, die sich so sehr um eine polierte Oberfläche bemüht, ist ja an sich schon ein interessantes psychologisches Phänomen.

Entschädigt wird man von erhellenden Hintergrundinformationen zum Steely-Dan-Werk und biografischen Hintergründen. Highlight des Buchs ist ein Text, in dem Fagen seine Teenage-Begeisterung für den Science-Fiction-Autor A. E. van Vogt beschreibt und dessen Rolle im Zustandekommen von Scientology. Doch da es sich ja nicht um die wutverzerrte Selbstpublikation eines sendungsbewussten Egomanen handelt, sondern um das Buch eines hochintelligenten wie erfolgreichen Mannes aus der US-Entertainment-Industrie, fragt man sich, ob man ihm nicht einen Lektor zur Seite hätte stellen können, der ihn darauf hinweist, dass ihm die hin und wieder aufpoppende Selbstironie gut steht, die ständige Mäkelei am Fünf-Sterne-Luxus weniger, der die interessanten Seiten des Autors Donald Fagen fördert und ihn dabei noch vor sich selbst schützt. (Viking, ca. 20 Euro)

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