Dr. John – City That Care Forgot :: Protest- und Durchhalte-Songs über die alte Heimat New Orleans

Die Meldung ist kurios. Oder keine: Dr. John macht ein Album über New Orleans bzw. das, was Katrina und der Sturm der Ignoranz übrig gelassen haben von der Stadt, welche die Sorgen so lange links liegen ließ und nun mehr davon direkt vor sich hat, als tragbar ist. Als ob Mac Rebennack – erster und auf lange Sicht produktivster Musiksohn der Stadt —je viel anderes gemacht hätte, selbst (oder gerade) wenn er bei John Leckie in Abbey Road britisches Exil suchte („Anutha Zone“, 1998), selbst wenn es nicht immer so explizit wurde wie mit „Gumbo“ (1972 in Kalifornien aufgenommen) und – exakt 20 Jahre später – mit „Goin‘ Back To New Orleans“.

Doch der melancholische Schleier über dieser letzten Geschichts-Lektion muss reißen, nun, da das Kind ganz tief in den Brunnen fiel und die Gegenwart gnadenlos kein Zurück mehr zulässt. „The only home you got is your own self, erkennt Dr. John denn auch sogleich und gibt nur halbkomisch die Parole aus: „If you don’t know where you goin‘, ya gonna find out when ya get there…“ Praktische Durchhaltelebenshilfe auch im Schleicher „You Might Be Surprised“, dazu grinst er im Booklet und streckt den Mittelfinger.

Einen Zeigefinger hat der Doktor aber auch, und der ist politisch korrekt und recht explizit, bis zur Nennung der üblichen Verdächtigungen, die selbstredend von Mr. Cheney angeführt werden, verantwortlich für den größten „Land Grab“ seit Columbus (sagt Mac und schiebt mit Gast-Trompeter Terence Blanchard lasziv den Funk vor sich her). Willie Nelson nuschelt mit im rechtschaffenen Protest von „Promises, Promises“, während „Time For A Change“ bei aller, nun ja, Systemkritik auch noch als flotter Kampagnenreißer für Barack Obama durchgehen würde.

Doch über den Tag hinaus bleiben dürften eher andere Songs. „Dream Warrior“, ein sinistres Stück Funk, mit dem sich Mac in die Schlafzimmer der Bastarde schleichen möchte. „That ole South did rise again“, grummelt der Mann mit dem Schwert auf der Bettdecke, „laughing at the show on CNN, I’m gonna turn their laughter to screams, and make em face who dey are every night in their dreams…“ Dazu der schwarze Humor der Bestandsaufnahme „We Gettin“ There“, das leibgeschneiderte Synkopen-Festival „Say Whut“, die zart-schlichte Bitte „My People Need A Second Line“ und auch der Titelsong: Ani Di Franco gibt die Gast-Geisterstimme, Eric Clapton – auch in zwei weiteren Songs mit flinker slowhand zur Stelle — schiebt brütende Licks darunter. Erlebt man ja auch nicht alle Tage, dieses Paar in einem Song.

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