Drucksachen

„ANGRY BLONDE – WEISSE WUT“ (Hannibal Verlag, 50 Mark) wurde „gemacht von Slim Shady, im Geiste von Marshall Mathers, gesehen durch die Augen von Eminem, alles klar?“ Ein knappes, lobhudeliges Vorwort von Jonathan Shecter, dem Herausgeber der HipHop-Postille „The Source“, am Ende ein Lexikon, das die Namen der Subjekte und Substanzen listet, die Eminems Reime bevölkern. Mörder und Mordopfer, Figuren aus „Batman“ und „Southpark“, Slang-Vokabeln für Dutzende von Drogen. Dazwischen die Raps, englisch/deutsch. Hasserfüllt und stur, weiberfeindlich und homophob und so politisch korrekt wie der Ku Klux Klan. Aber mit einem Wortwitz ausgestattet, der den restriktiven Rahmen des Rap voll ausreizt und die meisten schwarzen Mitbewerber in Sachen Musikalität und Militanz aussticht. Ein weiterer Beweis wider die längst löchrige Verschwörungstheorie, wonach die Weißen immer die Musik der Schwarzen klauen, sie verwässern und so kommerziell ausbeuten. Eminem ist kein Pat Boone und schon gar kein Vanilla Ice. Und, gemessen etwa am Schwulst eines Puff Daddy, sind seine White-Trash-Tiraden geradezu charakterfest.

Wer der wahre Slim Shady ist, lässt sich nach der Lektüre indes nicht leugnen: ein Künstler mit dem Kopf voller Scheiße. Das ist traurig angesichts des unleugbaren Umstands, dass Eminem-Fans leicht beeinflussbare Teenager sind. Deprimierender noch ist freilich, dass er derzeit der einzige Teenie-Act mit Klasse ist, der letzte nicht-homogenisierte Posterboy, „l’m anti-Backstreet and Ricky Martin/ With instincts to kill ‚N Sync, don’t get me started“, keift er. Kein übler Bursche. 4,0

„THE DYLAN COMPANION“ (Da Capo Press, ca. 40 Mark) ist ein 1990 erstmals veröffentlichter Reader, neu editiert von Elizabeth Thomson und David Gutman, um einige Essays ergänzt. „Celebrating Dylan’s 6Oth Birthday“, wie das Cover promo-trächtig heischt. Rund 50 Beiträge unterschiedlicher Länge und literarischer Qualität laden zum Lesen ein, Interpretationen zumeist und Exegesen, Beobachtungen und Analysen, Diskurse zur Ästhetik Dylans und historische Abrisse. In letztere Kategorie fällt Daniel J.Gonczys Aufsatz über die Folk-Bewegung der Sixties, Jim Miller diskutiert Dylans musikalische Relevanz in der Neuzeit, Michael Roos und Don O’Meara die „dialectical dilemmas in Bob Dylan’s recent love-songs“.

Klingt akademisch, ist es auch. Im Gegensatz zu Richard Farinas 1964 verfasster Würdigung oder Charles Nicholls lebendiger Reminiszenz an die Jahre ’66 bis ’69. Robert Christgau, Ken Kesey, Lester Bangs, Greil Marcus, John Peel, Kurt Loder und Richard Williams gehören zu den Autoren. Joan Baez schreibt über Persönliches (Bobs Hand unter ihrem Rock), Stanley Mieses über „The Dead & Dylan“ und Bruce Springsteens Laudatio zur Bob-Aufnahme in die Rock’n’Roll Hall Of Farne ist auch abgedruckt. Blöd bloß, dass der Typ auf dem Cover kaum Ähnlichkeit hat mit dem Meister. 4,0

„PISSING IN THE GENE POOL“ (Miranda,30Mark) von Henry Rollins ist 100 Seiten Hass und Häme, Lust und Frust. Der Muskelmann bei der Sprachakrobatik Intense, maaan, intense! Und, das ist bewundernswert, unangepasst. Leider auch höllisch anstrengend. Überall Kakerlaken, Kälte und Krankheit, Hirne, die schmelzen oder weggepustet werden, Geld und Blut, die um die Wette zum Himmel stinken. Aus derselben Feder, vom selben Verlag, in Kürze: „Art To Choke Hearts“. 3,0

„ELVIS PRESLEY – A LIFE IN MUSIC“ (St. Martins Press, ca. 45 Mark) von Ernst Jorgensen ist eines von nur einem halben Dutzend Bücher über den King, das ins Regal jedes Musikbegeisterten gehört. „The Complete Recording Sessions“, so der Untertitel, werden exemplarisch dokumentiert, harte Fakten und ergänzendes Background- Wissen illuminieren eine Studiokarriere, die ihresgleichen nicht hat, sowohl in Bezug auf die generierte Hitze als auch, später, in punkto lähmender Routine. So obsessiv die Schreibe, so fesselnd die Lektüre. „We will never agree on anything as we agreed on Elvis“, schrieb Lester Bangs in seinem Nachruf. Er wollte Recht behalten, leider. 5,0

„JUST ENOUGH EVIDENCE TO PRINT“ (Virgin, ca. 55 Mark) von Danny O’Connor ist, rechtzeitig zum aktuellen Single-Album-Tour-T-Shirt-Zyklus, das Buch über die Stereophonics. Von der Band nicht nur autorisiert, sondern in wochenlangen Interviews mit zahllosen Fakten und Anekdoten unterfüttert. Und so unterwürfig geschrieben, dass sich die nicht nur in „Mr.Writer“ geäußerte Geringschätzung der Waliser für die Kritikerzunft in Wohlgefallen auflösen dürfte. Dürftig. 2,0

„ANIMALS TRACKS“ (HeiterSkelter, ca. 30Mark) von Sean Egan schließt eine Lücke der Rock-Historie. Nicht vollständig, denn Alan Price stellte sich den Fragen des Autors nicht. Ansonsten aber erzählt Egan „The Story Of The Animals“ mit Aplomb und Hingabe. Vor allem die frühen Tage der Geordie-Band vom Jazz über den Blues und „House Of The Rising Sun“ (das half, Dylan zu elektrifizieren) biszum bitteren Ende. Geld, mieses Management und interne Rivalitäten brachten schließlich eine der besten R & B-Combos Britanniens zu Fall. Eric Burdon machte weiter, zunächst mit Flowerpower, dann mit War, dann mit Nostalgie. Ein Abstieg in langsamen, grausamen Raten. 3,5

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