Eminem

„Relapse“

Interscope / Universal VÖ: 15.05.2009

Teils groteske, teils amüsante Nabelschau aus der Entzugshölle

Es gibt Musiker, die Geschichten erzählen, die gar nichts mit ihnen zu tun haben. Die ihr Privatleben lieber für sich behalten und stattdessen andere beobachten oder sich etwas ausdenken. Eminem gehört nicht dazu. Bei ihm ging es immer nur um Eminem, Marshall Mathers oder Slim Shady. Me, myself and I.

Er hatte sich- für ihn ungewöhnlich lautlos- eine Weile zurückgezogen, um Tabletten- und Alkoholsucht zu bekämpfen, und jetzt berichtet er sehr öffentlich darüber- auf diesem Album werden mehr Medikamente erwähnt als in einer fiesen Folge von „Dr. House“. Vor Indiskretion oder Peinlichkeiten hat der Mann keine Angst, der schon so viele Raps über seine böse Mutter schrieb und selbst die geliebte Tochter beim musikalischen Dauer-Zoff mit der Ex-Frau nicht heraushielt.

Doch so grotesk und narzissistisch das alles ist, so kindisch und abgeschmackt, Eminem hat eben auch Humor. Anders kann man etwa das reggae-infizierte Stück „My Mom“ nicht verstehen. „I know you’re probably tired of hearin‘ ‚bout my mom“, gibt er da zu, aber klar: Sie hat ihm Valium verabreicht und ist also an allem schuld. Erst weigert sich Mini-Em, dann gibt er klein bei: „I’ll do it, pop it, gobble it and start wobblin’/ Stumble hobble tumble slip trip then I fall in bed/ With a bottle of meds and a Heath Ledger bobble head.“

Natürlich disst er noch weitere Prominente, das gehört hier einfach dazu. Jessica Simpson und Lindsay Lohan, Britney und Amy sind allerdings so billige Ziele, dass „We Made You“ nicht wirklich lustig wird, obwohl man Eminems Traum, ausgerechnet Sarah Palin zu „nageln“, zumindest originell finden kann. Im Grunde geht es ja gar nicht um die Kolleg(inn)en, sondern um Eminems Blick auf sie.

Auch bei „Medicine Ball“ scheint er immer zu sagen: Die sind alle viel dümmer und oberflächlicher- im direkten Vergleich bin ich doch ganz okay. Die obligatorische Misogynie verliert bei so viel ausgestellter Armseligkeit schließlich ihren Schrecken; als eine Art „American Psycho“ kann man das Milchgesicht nicht mehr fürchten, so sehr er sich in „Stay Wide Awake“ um Horrorszenarien bemüht. Eminem kann sich endgültig einreihen bei den ewigen Jungs, die sich nörgelnd und Bestätigung suchend nur noch um sich selbst drehen: Axl Rose, Robbie Williams- nicht die schlimmste Gesellschaft.

Zusammen mit Dr. Dre hat Eminem all diese Nabelschauen, Beleidigungen und Lamentos gewohnt raffiniert produziert, wenn auch ohne große Überraschungen. Viele dubiose Zwischenstücke, bisschen Dudelsack hier, ein Queen-Sample da- und immer Eminems Rap im Vordergrund, unumstritten der Mittelpunkt. Alles dreht sich um ihn, und warum auch nicht? Er hat ja wieder etwas zu erzählen. Man fragt sich nur, wie das weitergehen soll. Wenn nicht die nächste Scheidung, der nächste Familienzwist, die nächste Sucht kommt – was macht Eminem dann?