Erdmöbel

Kung Fu Fighting

Jippie!/Rough Trade

Die Latte lag hoch. Sehr hoch. Bei den Kritikern, die nach „Krokus“ in Superlativen kramten und Erdmöbel als Retter des deutschen Pop sahen, aber auch bei der Band selbst. Sie, sagt Sänger/Texter Markus Berges, wollten sich „nicht nur übertreffen“, sondern „uns auch überraschen“. Und kein Stück sollte klingen wie auf dem gefeierten Vorgänger. Eine unmögliche Mission?

Nun, Erdmöbel klingen immer noch wie Erdmöbel. So vertraut halt wie gleich der wieder gern mal freilaufende Bass von Produzent Ekki Maas die gar nicht mal so heimliche Regie übernimmt im munteren Auftakt „Blinker“. Und dann doch ein bisschen anders. Weil etwa der Bossa auf der Bank sitzt, während tollkühner Kirmes-Reggae (Titelsong) und ein knuffiges Steely-Dan-Gitarrensolo („Jetzt“) auflaufen. Und dann dieser toll synkopierte Refrain im zackigen „Bewegliche Ferien“! Doch, die sind immer noch musikalisch wie Sau (mit jeder Menge Flöte). Was ausdrücklich den Poeten Berges einschließt, der wieder mit den Worten und Assoziationen tanzt, bei Bedarf aber auch mal schlicht „La-la-la-la-la“ singt.

Eine Beerdigung („es wird gesungen“) als Ausgangspunkt einer Erinnerungsreise zu nehmen, ist natürlich ziemlich naheliegend. Aber wie Berges dann in „Kung Fu Fighting“  die „Wo-wo-wo-wooaa“-Phrase aus Carl Douglas’ 74er-Disco-Überflieger in einen Frisiersalon beamt, ist schon großes Kino. Das einzige Paradies, aus dem angeblich keine Vertreibung droht, schwebt juliträge auch durchs ominöse „Cardiff“ („Junge, iss dein Porridge“), beseelt die atemlose Teenager-Reminiszenz „Gefäße“ oder den Chlorwasser-Walzer „Zollstockbad“. Bei aller Erinnerung sind Erdmöbel aber auch um „eine Platte zur Zeit“ bemüht, die Gegenwart spielt stets eine Hauptrolle. Dass sie dabei immer noch keine Band für den bloßen Instant-Genuss geworden sind, ist in Zeiten wie diesen – Rock’n’Roll hin, Bildungsbürger-Pop her – wohl das Statement schlechthin. Was nach Hause hämmernde Refrains nicht zwingend ausschließt („Club der senkrecht Begrabenen“).

Das abschließende „Peng“ reimt glatt: „Ich nehm schon mal ein Schießgewehr, ihr kommt später hinterher …“ Erdmöbel doch noch auf den Barrikaden? Es gehe ja, sagt Markus Berges noch, „um Kunst“, verwundert ob der hiesigen Gefühls- und Befindlichkeitsduselei. Geschenkt. Und doch erwächst daraus der größte Vorbehalt gegen diese Musik. „Die Gefäße weiten sich, der Bann bricht“, singt Berges zwar beschwörend. Aber wirklich nahe kommen Erdmöbel zumindest diesem Rezensenten kaum mal. Womöglich will die Band das auch gar nicht. (Jippie!/Rough Trade)  Jörg Feyer