FKA Twigs :: LP1

Schleppende Grooves, sexy Texte, sehnsüchtige Stimme: Die Londonerin fasziniert mit außergewöhnlich gutem Post-R&B.

Was für eine seltsame, eigenwillige, fremdartige Popmusik! Irgendwo zwischen TripHop-Update und Post-R&B schleichen und strömen die Sounds des Albumdebüts der in London lebenden Sängerin aus dem provinziellen Gloucestershire durch virtuelle, ferne Weiten. (Das FKA steht übrigens für das Prince-bekannte Formely Known As, weil es anscheinend noch eine Twigs gibt.) Die Tracks dieses Albums schließen direkt an die ersten beiden EPs an, die Twigs’ Musik zum hochgehandelten neuen Ding aus dem Underground gemacht haben.

Die manchmal fast unwirklich helle und hohe, sehnsüchtig schmeichelnde Stimme schwebt und ebbt in einer radikal sparsamen Grundausstattung, verflüchtigt sich auch gern in undurchsichtigen Layern, Verfremdung und Hall. Ein paar verstreute Bässe, eine karge harmonisch-brodelnde Keyboardfigur, vorüberziehende komische Geräusche, Rasseln oder Claps, skizzieren ein vages Muster. Dann wird dieses dreidimensionale Modell mit Ornamenten dekoriert, mit pochenden Beulen hier, Knistern dort, Schnarren, kleinen herummodulierten Motiven – fertig ist ein zugleich leises, sanftes und verhaltenes, dabei innerlich funky federndes Stück. Die Musik erinnert ans langsame Überlaufen einer unbekannten, warmen, schimmernd transparenten Flüssigkeit – oder an eines ihrer stets ebenso auffälligen Videos, worin ihre ohnehin schon ungewöhnlich fein modulierten Züge in einem starren Porträt kaum merklich morphen, mit Pupillen, die langsam schwarz in die Augen laufen, bis sie ganz wie ein zarter, trauriger Alien aussieht.

Übrigens geht es bei aller extraterrestrischen Anmutung in den Texten oft erdschwer um Sex – sehnsüchtigen, lustvollen, glühenden Sex. Sie singt von offenen Schenkeln, vom nahem Atem, vom sich Verlieren, vom Verschlingen. Mehr als bisher zurrt sie hier mitunter (auf „Pendulum“ oder „Kicks“) die verzitternden Beats ein wenig R&B-haft dichter und expliziter, aber die Grundbewegung ist ein hypnotischer, fragmentierter, schleppender Groove. Diese relative Unbewegtheit wirkt natürlich bei allem polychromen Geräuschbehang auf Dauer auch mal eintönig – aber das ist schon der einzige Kritikpunkt an diesem außergewöhnlichen und konsequenten Album.

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