George Harrison :: Living In The Material World

Paul Simon hat womöglich ein wenig geflucht, denn „Living In The Material World“ war der Grund dafür, dass er es mit „There Goes Rhymin’Simon“ nie an die Spitze der LP-Hitparade schaffte. Die verteidigte wochenlang eisern George Harrison mit seinem zweiten Solo-Studio-Opus. Da halt auch nicht, dass die Ausbeute an hochkarätigen Songs ungleich eindrucksvoller war. Für die Botschaften des frommen George „The Lord Loves The One (That Loves The Lord)“ ist ein Songtitel – hatten viele ein offeneres Ohr als für die eher skeptischen bis pessimistischen wie die von Paul Simons „American Tune“ in demselben Jahr.

Mit dieser Platte begann zwar das ganze Harrison-Bashing zur Gewohnheit zu werden. Aber Millionen glaubten ihm nur zu gern, als er „Give Me Love (Give Me Peace On Earth)“ flehte. Mit den mehr diesseitigen Botschatten des Kollegen Lennon ging Harrison nicht konform. Der hatte sich ja sogar so weit aus dem Fenster gehängt zu behaupten: „God is a concept by which we measure our pain.“ Von der Vergänglichkeit alles Irdischen war auch der gute George überzeugt. Sonst hätte er das erste Solo-Opus nicht „All Things Must Pass“ betitelt.

Dass auf dieser Welt einer des anderen Herz bricht, fand auch er in höchstem Maße bedauerlich (man höre noch einmal „Isn’t It A Pity“). Dass Untreue von Frauen tiefe Wunden hinterlassen kann, war ihm so klar wie dem Kollegen Dylan, dem er damals in sehr großer Verehrung verbunden war. Deswegen fiel ihm zwischendurch trotzdem auch ein hübsches Liebeslied wie „Don’t Let Me Wait Too Long“ ein. Auch der Drogensong „Try Some Buy Some“ („Through my life Fve seen grey sky/Met big fry/ Seen them die to get high“) war letztlich ein Liebeslied. Dass er ein Frömmler sei, konnte man ihm nie vorwerfen. Was es unter anderem bedeutet, dass wir in einer materiellen Welt leben, erläuterte er bei dem Song, mit dem er auf das Thema seines „Taxman“ zurückkam. Der sehr vernehmlich vom geschätzten Kollegen Ry Cooder inspirierte (diese Slide-Gitarren!) „Sue Me, Sue You Blues“ mit den zeitlos gültigen Versen „Bring your lawyer and I’ll bring mine/ Get together, and we could have a bad time“ war seine Art, sich als betroffener Musikant mit den finanziellen und juristischen Schiammschlachten am Ende der Beatles-Ära auseinanderzusetzen. Der schlichteste, aber in raffinierter Eleganz arrangierte Song „Be Here Now“ war einer der allerbesten, „That IsAll“das ungeniert sentimentale Finale.

Damit endet die Remaster-Edition nicht. Hübsche Zugaben sind das bluesige Lamento „Deep Blue“ und das folkrockige „Miss O’Dell“, das sehr wie ein Matthews Southern Comfort-Outtake klänge, wenn Harrison zwischendurch nicht immer wieder lachen würde. Die (weit bessere) Alternativ-Fassung davon gibt es auf der DVD, den großen Hit im Surround-Mix eines Japan-Mitschnitts von 1991 und dazu als Country Blues-Akustik-Demo den „Sue Me, Sue You Blues“. Gegen Ende zitieren die Liner Notes den Rezensenten des „New Musical Express“, der seine Kritik mit dem Satz schloss: „So damn holy I could scream.“ Aber so heilig war das dann auch wieder nicht, (apple)

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