Hesitation Marks :: Im Kellerclub von Trent Reznor darf wieder getanzt werden

Damit war nicht unbedingt zu rechnen: Die von Nine Inch Nails in den 90er-Jahren in Gang gesetzte Abwärtsspirale des Industrial führt im neuen Jahrtausend -nach der Erschaffung virtueller Welten und diverser Soundtrackarbeiten -ein Stückchen in Richtung Pop. Es steht allerdings nicht zu befürchten, dass Trent Reznor nun zum Pet Shop Boy der Gepeinigten wird; ideell komponiert er weiter Musik für Kellerclubs und Kerker. Dass er auf dem mit Atticus Ross und Alan Moulder aufgenommenen neuen Album seine Lust am atonalen Getöse jedoch im Zaum hält, macht „Hesitation Marks“ zu einer geradezu zutraulichen und eingängigen Platte.

Freilich gibt es immer noch genügend schaurige Störgeräusche und detailversessenes Drum-Machine-Geklöppel, das Soundkonzept wirkt indes nicht mehr so protzig. Die atmosphärisch dichten, in düsteren Farben gehaltenen Klangbilder stellen sich ganz in den Dienst einer stilistisch und strukturell offeneren Herangehensweise Reznors, der in „All Time Low“ sogar den Funk zu seinem Recht kommen lässt. Die Single „Came Back Haunted“ und das nicht minder energiegeladene „Everything“ nähern sich konventionellen Hörgewohnheiten gerade so weit an, dass die alten Fans nicht vor den Kopf gestoßen werden. Und das garstig sich steigernde „Various Methods of Escape“ gehört neben dem fiebrig perfiden „Satellite“ zum Packendsten, was NIN je hervorgebracht haben.

Einzig die Tendenz, jede Stimmungsschwankung in beinahe epischer Breite auszumalen, mag man Reznor zum Vorwurf machen. Trotzdem schön, dass es mit „Hesitation Marks“ endlich wieder aufwärts geht.

(Universal) ALEXANDER MÜLLER

John Legend

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