Indigo Girls – All That We Let In

Auf dem Cover des neuen, unerwartet frühen Albums der Indigo Girls balanciert eine Frau mit geschlossenen Augen auf einem Rohr und muss sich offenbar böse konzentrieren, um nicht herunterzufallen. Dazu der Titel, *4U That We Let In“, und man denkt an eine dieser Mutproben, die man machen muss, um bei den örtlichen Halbstarken aufgenommen zu werden.

Mut braucht es indes keinen für das neunte Studiowerk von Emily Saliers und Amy Ray. Aufgenommen mit derselben Crew, die schon das letzte Album „Become You“ aufgenommen hatte, ist „All That We Let In“ die bislang routinierteste Platte der Indigo Girls. Der zart akustische Songwriter-Folk, das filigrane Saiten- und Tastenklimpern, die klare emotionale Trennung zwischen den Songs von Saliers

(klug, melancholisch) und Ray (gradlinig, eine Spur derb), all das ist entspricht der fortlaufende Ausbuchstabierung dessen, was die Indigo Girls ausmacht.

Andererseits: Vergisst man das mit der Mutprobe, liest sich der Albumtitel sehr passend. Nämlich so: Wer hier nicht schon dabei ist, kann nicht mehr rein. Die Indigo Girls sind nicht angetreten, das eigene musikalische Rad neu zu erfinden, und das untrennbare Zusammenspiel aus regelmäßigen Platten, dauernden Tourneen und politisch-sozialem Aktivismus ist ein Gesamtkunstwerk, in dem kein Platz ist für Revolution. Denn die, fragt man Saliers und Ray, soll woanders stattfinden.

Nichtsdestotrotz müssen den eigenen Standards ja jedesmal neue Siege abgerungen werden. Auf „All… “ gelingt das vor allem bei dem wirklich ergreifenden „Come On Home“, einem jener Beziehungslieder Saliers‘, deren Fotorealismus einen schlucken lässt Auch toll ist das von Mandolinen, Akkordeon und schrotig knarzenden E-Gitarren getriebene „Dairy Queen„, das man auch gern auf Amy Rays bereits avisiertem zweiten LoFi-Damen-Punk-Soloalbum gehört hätte.

Kramt man aber nun in der Diskografie der Indigos und hört noch mal die warmherzige Opulenz von „Swamp Ophelia“ oder den schroffen Charme von „Shaming Of The Sun“ – dann hofft man, dass diese Platte nur eine Laune ist. Und nicht das erste Anzeichen von Ermüdung in einer lang bewährten musikalischen Zweisamkeit.

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