It’s A Free World :: Ken Loach (Start 27. November)

Wirklich erfolgreich waren seine Filme nie. Und trotz der Preise, mit denen die von Intellektuellen besetzten Jurys ihn auf Festivals beständig ehrten, wurde Ken Loach stets milde als Anachronismus belächelt. Rechnet man aber mal die Umfragewerte für „Die Linke“ in Zuschauerzahlen um, müsste sein neues Werk in Deutschland ein Hit werden.

Darin erzählt der Brite unbeirrt weiter, was er seit 20 Jahren hartnäckig mit tief menschlichem und auch mal tragikomischem Realismus zeigt: wie Bürger von der Willkür des Kapitalismus und Zwängen der Bürokratie gedemütigt und zermürbt werden.

Sein Kampf gegen die kühlen Wirtschaftsprinzipien der einstigen Premierministerin Margaret Thatcher und für die dadurch entwurzelte Arbeiterklasse mag vielen Betrachtern lange als fremde Welt erschienen sein. Die Folgen haben aber nun wuchtig die Mittelschicht des Westens getroffen. Banker, Journalisten, Angestellte aller Branchen zittern um ihre Jobs.

Und manchen könnte es daher so ergehen wie den verzweifelten Leuten, die Angie (Kierston Wareing) in Osteuropa als billige Arbeitskräfte für englische Fabriken anwirbt. Als sie selbst gefeuert wird, macht die taffe Blondine mit ihrer studierten farbigen Freundin Rose (Juliet Ellis) in einem Hinterhof auf eigene Rechnung weiter. Und als Unternehmerin wird sie selbst immer egoistischer. Sie kassiert Gebühren von den Jobsuchenden, behält die Lohnsteuer ein, sortiert schroff aus, vermittelt oder verrät Illegale. Aber auch sie wird von einer Baufirma um Geld geprellt.

Oben sitzen wenige Profiteure. Alle darunter schlagen sich um den kargen Rest. Die Armen beuten die noch Ärmeren aus.

In diesem zynischen System ist Angie zugleich Opfer und Täter. Loach zeigt zwar Sympathie für ihren Willen, mit Mitte 30 als allein erziehende Mutter eines Sohnes ihre Aufstiegsträume verwirklichen zu wollen, verklärt sie aber nicht zur Heldin der Working Class. Er begleitet ihr Dilemma und die generelle Situation in diesem Teufelskreis traurig und mit der gleichen Skepsis wie ihr Vater. Der findet es krank, wenn heimische Arbeiter am Fließband zu Hungerlöhnen durch arbeitslose Lehrer und Ärzte aus dem Ausland ersetzt werden. Das ist Globalisierung: einfach gedacht, aber wahr. Loach versteigt sich nicht zu großen Thesen, sondern führt mit emotionalen Ausschnitten die komplexen Mechanismen des Spätkapitalismus vor. Er schürt ein schlechtes Gewissen — am Ende auch bei seiner Protagonistin Angie, als ihr eine Polin hoffnungsvoll ihr Erspartes zuschiebt.

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