Jason & The Scorchers – Clear Impetuous Morning

Es gibt mehr als nur einen Weg, die respektablen Seiten der Country-Geschichte mit ausgestrecktem Mittelfinger gegen die Zumutungen wesentlicher Teile des Nashville-Establishments zu verteidigen. Was vermutlich leichter fallt, wenn man’s – Fall eins – schon einmal probiert hat oder sich – Fall zwei – um die Folgen ungenehmen Betragens ohnehin nicht mehr kümmern muß.

Nach einem kurzen, halbherzigen, treffend „One Foot In The Honky Tonk“ betitelten Abstecher in die Höhle des Löwen, versammelte Jason Ringenberg schon 1995 seine zeitweilig beurlaubten Scorchers wieder um sich. Die Reunion der angenehmeren Sorte klingt auch auf dem neuen Album „Clear Impetuous Morning“ kaum nach Nostalgie, sondern eher wie gesunde Trotzreaktion auf das, was war. Und das, was eben nicht geworden ist „Kick me down, but I never crawl“, höhnt Ringenberg, so als wäre gestern und „Cow-Punk“ das Ding der Stunde.

Immer noch: Höllen-Rock und Country-HimmeL Aber das Comeback funktioniert nicht zuletzt deshalb, weil Ringenberg die Wunden nicht ignoriert, die die vergangene Dekade in Form von Selbstzweifeln („Seil-Sabotage“), und Desillusionierung („Victory Road“) schlagen mußte. Fast verzeihlich, daß er da auch schon mal arg kulturpessimistisch („Walking A Vanishing Line“) draufkommt. Im Akustik-Segment hat’s mit dem Glamour-Abgesang „Everything Has A Cost“ (Duett mit Emmylou Harris!) und „Jeremy’s Glory“ gleich zwei Glanzlichter. Und das Cover von Parsons/Mc-Guinns „Drugstore Truck Driving Man“ legt nahe, daß sich Ringenberg doch noch nicht ganz damit abgefunden hat, daß sich Rock ’n’Roller bzw. Hippies und Country-Folks nicht ausstehen können sollen. Konsequenz: „I’m going nowhere. But at least I know the way.“ Ein klassischer Ringenberg, das.

Country Dick Montana alias Dan McLain wußte auch, wohin die (letzte) Reise gehen würde, als er Freunde und Weggefährten zum Requiem prä mortem in einem San Diego-Studio zusammenrief: Bald darauf sollte der Frontmann der Beat Farmers, knapp 4Ojährig, seinen Kampf gegen den Krebs verlieren. Ebenso paradox wie vielleicht bezeichnend mit einem Herzinfarkt auf der Bühne.

So ist „The Devil Lied To Me“, durchaus im Sinne des Erfinders, weniger eine verquaste Trauergala als vielmehr eine monströse Abschiedsparty geworden: Nicht immer zügellos, öfter jenseits von Gut und Böse. Da flössen gewiß genauso viele Tränen wie Alkohol. Dave Alvin, John Doe, Rosie Flores, Katy Moffat und Mqjo Nixon steuerten ihr Scherflein zum Gelingen bei, während der Hüne mit dem sonoren Bariton ein letztes Mal zwischen Bakersfield, Texas, und Comedy-Country brilliert – als großer Entertainer, Poseur und Possenreißer, der eher noch in Vegas ab in der Opry seinen Platz gefunden hätte. Nicht nur in New Orleans also wissen sie den Tod zu feiern.

Ein erbitterter Komödiant ist Country Dick sogar über den Tod hinaus geblieben. Ins CD-Booklet ließ er unter Management bzw. Booking notieren: „God c/o“… Hat der Teufel vielleicht doch nicht gelogen?

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