Joe Cocker :: Live At Woodstock

Noch einmal komplett: die berühmte Darbietung des Briten Mehr Höhen und Tiefen in rasantem Wechsel als Joe Cocker hat zu Beginn der Karriere selten ein Sangeskollege erlebt. Im Rowohlt-„Rock-Lexikon“ ist immer noch nachzulesen, er habe jahrelang „für rund 50 Dollar pro Woche nur in Proletarierkneipen gekreischt und dabei jeden Abend mehr als fünf Liter Bier getrunken“. Dabei zahlte man in Sheffield und Umgebung damals nicht in Dollar und Cent, und das mit den fünf Litern Bier jeden Abend darf man zu den netteren PR-Legenden rechnen, weil so viel Alkohol und Kalorien zu gröberen körperlichen Deformation geführt hätten, als sie jedenfalls bei seinem gefeierten Auftritt in Woodstock zu beobachten waren. Im Oktober 1968 hatte die Cover-Version von „With A Little Help From My Friends“ Cocker an die Spitze der englischen Hitparade katapultiert. Was danach niemand vermutete: Die Debüt-LP wurde wie das Folgewerk „Joe Cocker!“ ein totaler Flop. Erst nach dem Erfolg des Mitschnitts „Mad Dogs And Englishmen‘ ‚brachte es das Frühwerk – mittlerweile zum preiswerten „twofer“ gekoppelt – 1972 doch noch auf Platz 29 der LP-Hitparade im eigenen Land. Aber kein Vergleich zum Erfolg von David Bowie und den Glamrock-Stars jener Jahre.

In Amerika dagegen hatte ihn sein Auftritt mit der Grease Band auch durch den Film unversehens zu einer Live-Attraktion ersten Ranges gemacht. Vielleicht war ja mit seiner Luftgitarren-Artistik und den bei Ray Charles abgeschauten Bewegungen auch ein gewisser „Freak“-Appeal mit im Spiel. Leon Russell produzierte als master ofspace and time die anschließende Tournee mit besagten Mad Dogs ja auch mehr als Show-Spektakel denn als herkömmliches Konzert. Bis auf Chris Stainton war die Grease Band da erst einmal gefeuert und durch bewährte amerikanische Profis ersetzt worden. Wie der sich dabei selber so richtig auf Kosten des Sängers in Szene setzte, dokumentierte nach dem Dokumentarfilm mehr noch die Deluxe-Edition der Tournee. Im Vergleich zu dem, was Cocker in Woodstock bot, war die Show für die Tournee richtig clever kommerziell geglättet. Viel besser als sein Star beherzigte Leon Russell damals die Erkenntnis: There’s no business like showbnsiness.

Die Unterschiede sind teils faszinierend. In Woodstock extemporierte die Grease Band zu Beginn erst mal knapp neun Minuten über Dylans „Dear Landlord“ und gut sechs über „Just Like A Woman“. Den Ashford/ Simpson-Klassiker „I Don’t Need No Doctor“, den sie sich bei gemeinsamen Festival-Auftritten auf dem Kontinent mit Humble Pie offenbar sehr genau gemerkt hatten (Steve Marriott hatte seinerzeit als Fan den Song ins Dauer-Repertoire übernommen), boten sie wie diese in epischen zwölf Minuten. Das Dylan-Fest setzten sie mit „I Shall Be Released“ fort, und wieso Cocker mal ein richtig großer Balladen-Interpret war, hört man hier bei „Do I Still Figure In Your Life“ und „Something To Say“. Weshalb man auch nachträglich nur verwundert fragen darf, warum die Katalogabteilung bei Universal den Mitschnitt nicht schon längst mal wie auch den von Jimi Hendrix publik machte. Anscheinend musste wie bei den nun komplett vorgelegten Auftritten von Jefferson Airplane und anderen erst der Jahrestag als Anlass dienen. Ein spät nachgereichtes Souvenir, das daran erinnert: Der Mann war ja wirklich einmal einer der besten „Nicht-Sänger“ der ganzen Rockmusik.

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