John Vanderslice – Emerald City

Was ist „Sloppy hi-fi“? Sloppy hi-fi, sagt sein Verfechter John Vanderslice, heiße, ein 7000-Dollar-Mikrofon zu benutzen – und dann einfach dem ersten Take zu vertrauen. Es bedeute, das Bestmögliche zu nehmen und es schon im Aufnahmeprozess zu brechen. Hier, auf seinem sechsten Album, ist der 40-jährige Songschreiber und Produzent (Spoon, Mountain Goats) aus San Francisco mit dieser Maxime vor allem bei deutlich übersteuerten Akustik-Gitarren als dominantem Stilmittel angekommen. Was dann weniger sloppy als manchmal ein bisschen zu gewollt wirkt und tatsächlich überzeugend, weil radikal thematisiert nur im einsamen Delirium von „Numbered Lithograph“. Ihre Boxen sind jedenfalls in Ordnung…

„Emerald City“, betitelt nach der Grünen Zone in Bagdad, ist nach „Pixel Revolt“ (2005) bereits das zweite Album in Folge, auf dem Vanderslice mit sanfter Emphase, manch starker Melodie und ideengefluteten, oft um ein Piano-Motiv gebauten Arrangements die Post-9/n-Paranoia in den USA reflektiert mal mehr, mal weniger explizit und noch einmal angeregt offenbar durch die Weigerung der US-Immigrationsbehörde, seiner französischen Freundin ein Visum zu gewähren. Von wohlfeilem Neo-Protest ist der Mann mit dem ewigen Jungsgesicht dabei weit entfernt. „I can see both sides and it paralyzed me“, singt Vanderslice in „The Minaret“, das aus der Perspektive eines Soldaten erzählt ist. In „Kookaburra“ macht er es nicht unter einem Abgesang auf die technologische Zivilisation. Die Vorort-Flucht in „Time To Go“ wirkt angesichts der kalifornischen Feuersbrunst geradezu unheimlich prophetisch.

Die beiden besten Songs: „Tablespoon Of Codeine“, ein wackeres Wiegenlied für weniger wackere Erwachsene, schwebt wie in Trance über Piano-Läufen aus dem Eisschrank und einem Eier-Groove aus dem elektronischen Beat-Kabinett. Im elegisch hingetupften „Central Booking“ wird’s dann unverhohlen autobiografisch. „I got your letter with a stamp of Godard“, singt Vanderslice mit entrückter Kopfstimme. Und schließt resigniert: „Looks like September won once again.“ Mal sehen, wie lange noch.

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