Jolie Holland :: Wine Dark Sea

Exaltierter Rock: Die Texanerin dreht die Verstärker auf

Von Anfang an war man gefangen von Jolie Hollands geheimnisvollem Blick auf  amerikanische Urmusiken, auf den Blues, den Jazz, den Country und den Folk. Vor zwei Alben wandte sich die Sängerin dem zuvor verpönten Rock zu und fand mithilfe von Produzent Shahzad Ismaily auch auf dieses Genre eine eigene Perspektive. Die Musik auf „The Living And The Dead“ und „Pint Of Blood“ klang klassisch und doch gar nicht klassisch, uralt und doch blutjung, ganz nah und doch auf betörende Weise distanziert. Auf dieser neuen Platte ist die Musik nicht grundlegend anders, doch Holland suchte sich neue Musiker aus der New Yorker Freejazz- und Experimental-Szene und änderte so die Versuchsanordnung. Nun ist die Musik, die weiterhin im alten Amerika zu Hause ist, derber, vielleicht weniger versteckt, wilder.

Vor allem die Gitarre macht den Unterschied. Bei drei, vier Liedern kocht, brüllt und fiept es experimentell, Fuzz-Verzerrung und Noise-Eruptionen drehen den traditionellen Twang ins Abstrakte. Hören Sie sich mal das Solo in „Dark Days“ an! Der Lärm ist ganz fantastisch. Bei diesem und anderen Liedern beflügelt er Jolie Holland zu ihren bislang exaltiertesten Gesängen.

Wenn die Band den Blues dekonstruiert, die Gitarren entgleisen lässt und verzerrte Bläser ins Playback spielt, folgt sie natürlich dem Vorbild von Captain Beefheart und Tom Waits, deren surreale Bearbeitungen der Standards ähnlich motiviert sind. Doch Holland stülpt sich den neuen Sound nicht einfach über; vielmehr meint man diese Möglichkeit schon immer im Werk der Texanerin gehört zu haben, deren Musik immer in einem Spannungsfeld aus Distanz und Nähe steht und manchmal wirkt, als behielte sie den entscheidenden Hinweis für sich. Auf

„Wine Dark Sea“ finden sich neben Delta-Blues auch klassischer Soul („The Love You Save“), Rock’n’Roll („On And On“), Songwriter-Jazz („First Sign Of Spring“) und natürlich alter Country („Route 30“), den Holland wie üblich großartig singt. Besonders schön ist „I Thought It Was The Moon“, das halb den Mond anheulende Beschwörung, halb Rezitativ ist und durch sonderbare Geräusche fast zur Installation wird. Da sind sie, die New Yorker Freejazz-Schamanen; sie passen gut zu Jolie Holland.

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