Kaiser Chiefs

Employment

Polydor (Universal)

Die Mittelstürmer des neuen Brit- Hypes: nicht immer stürmisch.

Sie haben es natürlich längst bemerkt, geht ja kaum anders: Das große, schokolinsenfarbige „Na-na-na!“ ist wieder da! Der Käuzchenruf des Britpop, so laut wie früher das „Hey ho, let’s go!“ der Happy-Punks oder das „Aciiiid!“ der Happy-Raver oder meinetwegen die „Helga!“-Schreie der Happy-Festivalbesucher.

Das „Na-na-na!“ war jahrelang fast heimlich gesungen worden, auf Nebenschauplätzen des Pop-Punktspiels, von den Gästen aller „Strictly British“-Kellerabende, wo es eh keine Uhren und Kalender gibt. Wenn der sogenannte DJ irgendwas von Supergrass auflegte, „Charmless Man“ von Blur oder zur letzten Runde (hihi, wie in englischen Pubs) „Hey Jude“. Kein Thema für Stadtmagazine, die im Jahr 2005 aber plötzlich wieder kolportieren können, daß Britain aus dem Busch kommt, daß es da so eine neue Gitarren-Welle gibt, richtig mit Stars, schmutzigen Kindern und bereits den ersten Bands, die das, was eigentlich gerade brandheiß herauskommt, spülwasserkühl kopieren.

Wir zählen sie gerne noch einmal vor, die Guten: Bloc Party, Futureheads, Maximo Park, The Others, Razorhght, Dead 60s. Art Brut. Franz Ferdinand, mit denen alles anfing und die bald wieder pünktlich zur Stelle sind. Und die Kaiser Chiefs aus Leeds, die die größten Hits haben, die am knuddelbärigsten und auch für ein größeres Publikum nachvollziehbar sind, deren Geschichte am bezeichnendsten klingt. Und die, signifikanter geht’s nicht, auf ihrem Album „Employment“ ein Stück haben, das „Na Na Na Na Naa“ heißt.

Kurze Zwischenfrage: Stimmt das überhaupt? Hätten wir vor zwei oder fünf Jahren nicht auch so eine Liste machen können? Klar, hätten wir. Hoben wir aber nicht. Das klingt zwar wie eine self-fulfilling prophecy, aber Euphorie erzeugt die besten Platten, und Euphorie führt marketingtechnisch dazu, daß diese Platten auch erscheinen. Hypes verdichten, verlinken und benennen die Dinge, das ist gut. Die aufgezählten Bands sind ja alle so unterschiedlich, bis auf das: Sie belehnen den Post-Punk-Rock der frühen 80er, sie spielen die Gitarren harsch und ohne Hall, sie machen Tanz-, keine Schmusemusik. Einen ideellen Überbau gibt es nicht, abgesehen von den dämlichen „Das Königreich schlägt zurück“-Slogans. In Amerika, das hiermit für die Streikes bestraft werden soll, haben die neuen Bands kurioserweise Erfolg.

Was man den Kaiser Chiefs schön aufs Erdnußbutterbrot schmieren kann: Sie waren vor drei Jahren nämlich selbst eine Strokes-Nachäfferband, nannten sich Parva, verleugneten den königlichen Akzent der Mütter und hatten so wenig Erfolgsaussichten, daß das Label Mantra Records ihr fertiges Album rue veröffentlichte. In der zweiten Inkarnation macht die Band nun Musik,- die so schamlos vollbritisch ist wie die schlimmsten Klischees aus dem Teeund-Bobbys-Aktenschrank, und das ergibt eine lustige Konstellation: die Suche nach den eigenen Wurzeln. Das Image-Kalkül. Beides gleichzeitig. Mit der Frage nach Ehrlichkeit kommt man den Kaiser Chiefs nicht bei – was vor allem zeigt, wie blöd die Frage ist.

Blitzmomente auf dem „Employment“-Album sind die eingekoppelten Singles, überhaupt das beste, was irgendeinem diagonal Frisierten nach Franz Ferdinand eingefallen ist. „Oh My God“, ein schunkelndes Hanky Panky, bei dem ein Spinnenklavier die Gesangsmelodie mitkrabbelt, der Refrain durch anschwellendes Kreischen vorgesteigert und dann mit Krawall-Akkorden festgenagelt wird. „The only thing growing is our history“, singt Ricky Wilson hier, meint damit das Leben, in dem man höchstens noch Mitarbeiter des Monats werden kann, aber die tollste Kleinstadt-Geschichte ist „I Predict A Riot“: was sich so alles auf der Straße ansammelt, wenn die Pubs um elf schließen, gewaltbereite Affen in Ballonseide, nach Pommes Frites riechende Frauen. Ein Riff, das fröstelnden Ärger ankündigt, und der explosive, kurzgeschorene „I predict a riot!“-Chor. Schade, daß hier nur gegen Schanklizenzen protestiert wird, vergeudete Kraft.

„Everday I Love You Less And Less“, der albern gestreckte Mittelfinger gegen eine Ex-Freundin, klingt mit dem „Kids In America“-Synthesizer, dem Lala-la, Na-na-na und erneuten Klimax-Geheule schon nicht mehr so aufpeitschend. ‚Wer das Glück hatte, eines der stichflammigen Konzerte der Kaiser Chiefs zu sehen, wird sich beim Hören der Platte eh rätselnd am Kopf kratzen, weil „Employment“ auch bei hoher Lautstärke wie ein bestens ausbalanciertes, reibungsloses Pop-Album durchgluggert. Sogar in „Saturday Night“, das mit barschem Sprechgesang anfängt, setzen bald die lustigen Winselgesänge im Hintergrund ein, zu „Time Honoured Tradition“ kann man Kasatschok tanzen. Bei englischen Bands sagt man: die Music-Hall-Referenzen.

Auch die hatten in der Original-New-Wave ja ihren Platz, bei XTC, Madness und vielen anderen. Heute ist es nicht mehr nötig oder originell, solche Sachen für die Junge-Leute-Musik einzuklagen – die Kaiser Chiefs müssen sich also mit dem Lob zufriedengeben, daß ihre erste Platte keinen schlechten Song hat (sogar“Na Na Na Na Naa“ wird noch gut, gleich nach dem Nana-na) und daß sie beim kunstfertigen Stilisieren ganz schlau aussehen. Überraschen konnten sie höchstens zweimal, und für einen Riot langt das kaum.

Am besten klingen die Stücke halt immer noch, wenn sie ein der Britpop-DJs auflegt, zwischen zwei anderen von Maximo Park, Blur, Franz Ferdinand. Im Insel-Ghetto werden sie auch dann noch laufen, wenn Amerika sich längst etwas Neues ausgedacht hat.