Kanye West :: Graduation :: Hip Hop für Intellektuelle: eine Inszenierung, keine Selbstdarstellung

Das dritte Album von Kanye West, „Graduation“, hat in der ersten Woche nach Veröffentlichung in den USA mehr CDs verkauft als „Curtis“, das zeitgleich erschienene neue Album von 50 Cent. Doch der deutsche HipHop-Konsument greift tendenziell eher zum prahlenden Proleten mit der Hand am Gemächt. Wie sein Kumpel Common ist auch der College-Dropout Kanye West ein Held der intellektuellen Rap-Fans, ein Sohn der afroamerikanischen Mittelklasse. Einer, der eben nicht das Getto beschwört, sondern die Chancen, ihm zu entrinnen – sei es durch Anstrengung, Glaube oder künstlerische Kapriolen.

Schon das Cover von „Graduation“ – von dem japanischen Manga-Künstler Takashi Murakami – ist so HipHop-fern wie nur denkbar. Und dann „Drunk And Hot Girls“, das auf „Sing Swan Song“ von Can basiert und mit ein wenig Hilfe von Mos Def auch genauso Krautrock-besoffen heran schlendert: kein Krawall wie beim notorischen Indie-Hop, sondern im besten Sinn „turned on, tuned in and dropped out“. Auch „Champion“ („Kid Charlemagne“ von Steely Dan) und „Stronger“ (Daft Punks „Harder, Better, Faster, Stronger“) kommen mit Hilfe von prominenten Samples zu tollen Ergebnissen.

Da stört es nicht weiter, dass aus Kanye West wohl nie ein Meister-Rapper werden wird. Das Stimmchen ist einfach etwas zu dünn. Aber das soll uns egal sein, denn hier passiert einfach unglaublich viel. Vom romantisch verträumten „I Wonder“ bis zu „Barry Bonds“, mit seinen finsteren Electro-Fanfaren wird ein beeindruckendes Spektrum an Stilen, Arrangements und Songideen abdeckt. Eine Inszenierung, keine Selbstdarstellung. „Graduation“ ist sicher nichts für die Hörer von Bushido. Dazu sind die 13 Songs viel zu verspielt, leicht und ironisch. Hier wird kein Existenzkampf vor dem Mikro ausgefochten, sondern hier nimmt sich einer die Freiheit, selber zu definieren, was HipHop für ihn bedeutet. So viel Luxus muss sein.

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