Keane – Under The Iron Sea

Wir wissen jetzt, dass sie putzig sind. Dass Sänger Tom Chaplin immer so herrlich rote Pausbacken hat und so verwundert-glänzend in die Welt schauende Riesenaugen, dass der verhuschte Tim Rice-Oxley sein Piano liebt und diese Band gar keine Gitarren braucht, weil sie all ihre schönen Melodien, ihre schlichten Gedanken und ihre ganz und gar sympathische Weltsicht auch so prima darstellen kann. Ach, Gitarren, die sind ja auch eher was für harte Kerle und so. Aber jetzt! Nun behaupten diese drei niedlichen Briten, beim zweiten Album hätten sie so viel „drive, intensity and fury“ gehabt, dass man sie kaum wiedererkennt. Was angesichts des Erfolgs vom Debüt „Hopes & Fears“ ja doof wäre, denn das

erreichte in Großbritannien immerhin achtmal Platin und war das meistverkaufte Album im Jahre 2004. Hierzulande wurde es immerhin vergoldet, also warum der Drang zum Neuen? Doch keine Angst, so ernst meinen die das nicht. Auf dem Vorab-Album steht statt des richtigen Bandnamens: Hairy Sheep.

Die erste Single „Is It Any Wonder?“ setzt gleich wieder auf die bewährten Mechanismen: Schwelgen, Seufzen, Hinterfragen, Verzweifeln. Aber nur ein kleines bisschen, denn so übel ist das Leben ja auch wieder nicht. Und nie auf andere Menschen hören, die einem die große Liebe madig machen wollen! „They say you’re as cold as ice/ All that matters to me/ Is what I see inside you/ You know what people are like/ Talk about you when your back is turned.“ Da hat wohl einer schlimme Erfahrungen gemacht. Aber auch hier keine Gefahr, er hat’s überstanden – wie die folgenden Stücke „Nothing In My Way“, und „Put It Behind You“ und „A Bad Dream“ zeigen werden – Letzteres mit den sagenhaft bettschweren Zeilen: „I was fighting/ But I just feel too tired to be fighting/ Guess I’m not the fighting kind.“

Zwischendurch gibt es noch den „Hamburg Song“, der mit der Stadt so direkt nichts zu tun hat, sondern mit der Befindlichkeit des vermeintlichen Stars. Statt Bewunderung wünscht sich der nur ein bisschen Licht und – natürlich Liebe: „I’d like to bring a little light/ To shine a light on your life/ To make you feel loved.“ Seufz. Und dann will er das Zuhause sein, das er in „Atlantic“ am Anfang des Albums noch gesucht hat, denn: „An empty house is not a home.“

Das alles ist freilich ganz süß und gar nicht schlecht gemacht, auch wenn der an schlechten Pink Floyd-Platten geschulte Schwulst manchmal nervt und keine der so pompös angelegten Melodien im Kopf haften bleibt, und im Herz leider auch nicht. All die „Ah-ah-ahs“, fließenden Strophen und vorhersehbaren Refrains sind ja angenehm, sie erzeugen so ein wohliges Gefühl der Bekanntheit, aber es gibt halt schon so viel Musik für die Haus- und Gartenarbeit und die Momente, in denen man nichts Anstrengendes oder auch nur Anspruchsvolles hören mag. Gemütlichkeit hat ihre Grenzen. Mir schlafen gerade die Füße ein.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates