KICKS

Peter Parker ’s Rock’n’Roll Club Straight To Vinyl ****

Direkter, unverblümter, wahrer kann eine Platte nicht klingen. Kein doppelter Boden, keine Klangkosmetik, nirgendwo. „Straight To Vinyl“ stellt den Hörer auf eine harte Probe, so nackt kommt die Musik aus den Lautsprechern, so knochentrocken. Man vermisst Reverb, einen Raum, in dem sich die Töne ausbreiten können, doch diese LP nimmt keine Rücksicht auf Hörgewohnheiten. „The tracks were recorded direct to vinyl on a 1930’s cutting lathe at Lewis Durham’s vintage recording studio in Soho“, informiert das Label, „in one single rockin‘ session.“ Die Verwendung von Vorkriegs-Equipment für einen Musikstil, der erst in den Fifties und Sixties aufkam, zeitigt eine gewisse Irritation, die der Unmittelbarkeit der Musik selbst freilich keinen Abbruch tut, im Gegenteil. Peter Parkers oft an den jungen Keith Richards gemahnende Riffs und rudimentäre Lead-Licks gehen mit seinem engagierten Gesang, dem Snare-Klopfen von Sakura Mori und Lenny Georges Bass eine Verbindung ein, die ob ihrer durchschlagenden Wirkung verblüfft. Es ist unbehauener, ungeschliffener Rock’n’Roll, der eine Brücke zurück schlägt vom coolen Brit-R&B der halbflüggen Stones zum rohen Post-Blues im Chicago der frühen Fünfziger. (Those Old Records)

Beach Fossils Clash The Truth ***1/2

Wer eine Fortsetzung der quecksilbrigen Gitarrenkaskaden und der nuancierten Lo-Fi-Finesse ihrer ersten LP erwartet, wird enttäuscht sein. Auch an die ausproduzierte Gediegenheit der nachfolgenden EP „What A Pleasure“ erinnert hier wenig. Beach Fossils aus Brooklyn haben sich sicher nicht neu erfunden, jedoch eine recht rasante Entwicklung durchgemacht in den letzten drei Jahren, setzen nun mehr auf Postpunk-Noise als auf Surf, als wollten sie die Rückkehr von My Bloody Valentine feiern. „Vertigo“ etwa erlaubt solche Konnotationen, in „Shallow“ pocht ein Punk-Herz unter all dem melodischen Sausen aus Stimmen und Gitarren. „Life can be so vicious“, konstatiert Dustin Payseur im Titelsong, „and we can’t even appreciate its purities.“ Wer weiß, vielleicht hat ja ein Realitäts-Check dazu geführt, dass sich die Band aus ihrer Shoegazing-Introvertiertheit löste und gegenwärtiger klingt als zuvor. Dass sie das mithilfe musikalischer Mittel bewerkstelligt, die den Achtzigern entlehnt sind, wird nur Einfaltspinsel stören, die meinen, der Fortschritt stürme stets linear vorwärts.(Captured Tracks)

Veronica Falls Six Covers Vol. 2 ****

Wie schon im vergangenen Jahr beglücken Veronica Falls ihre Fans zusätzlich zur regulären LP nebst Single mit einer limitierten 12-Inch-EP aus sechs Coverversionen. Für ganze 40 Pfund binnen Stunden auf 8-Spur-Tape gebannt, genügen diese Aufnahmen weder Hi-Fi-Ansprüchen noch überhaupt den Anforderungen professioneller Tonkunst. Nicht zuletzt darin liegt ihr Reiz. Es bereitet kein geringes Vergnügen, den Londonern beim uneitlen Drauflosspielen zuzuhören. Prima, wie sie Dylans „Love Minus Zero/No Limit“ schrammelig-sanft gegen den Strich bürsten und doch nicht degradieren, toll, wie sich Roxanne Clifford „Bury Me Happy“ von den Moles aneignet, ihre Stimme mangels Effektgerät mit dem natürlichen Hall eines Badezimmers veredelt. Ganz reizend auch Weens nonsensiges „What Deaner Was Talking About“, dessen erste Zeilen weniger zu sagen scheinen als nichts: „The wash is out, it’s hanging up/And all I have is nothing to do.“(Bella Union/Cooperative)

Richard Hawley Don’t Stare At The Sun ***1/2

Auf dem vierten und letzten Teil der 10-Inch-Serie seines Singles-Clubs gibt sich der nunmehr Arrivierte, ja Brit-Award-Nominierte meditativ, versteigt sich aber auch schon mal in kosmische Dimensionen: „All to be lost“, hebt Hawley zu daunigen Sounds nicht ohne Pathos an, „in the galaxy of distant stars.“ Jene geschichtsnotorische Idiotie Isaac Newtons, die diesen fast das Augenlicht kostete, habe ihn zu „Don’t Stare Into The Sun“ inspiriert, auf der letzten LP „Standing At The Sky’s Edge“ immerhin ein Highlight. Die Flipside „Run For You“ geht auf das Album „Lowedges“ zurück, klingt in dieser neuen Version indes eher noch etwas melancholischer und mutloser. (Parlophone)

The Barracudas God Bless The 45 ***1/2

Das obligate Stoßgebet am Ende jedes Hochamts am Altar des Rock’n’Roll, hervorgestoßen von einer Band, die sich bereits seit 35 Jahren in Demut vor den Errungenschaften ihrer Kirche übt, zwar immer seltener, jedoch im Glauben unverbrüchlich. Mit „I Wish It Could Be 1965 Again“ hatten sie den Nerv von 1980 getroffen, mit der aktuellen Single schlagen sie in dieselbe Kerbe, dem ultimativen Pop-Format und dessen Primärtugenden huldigend: „Cut the crap, get to the chorus!“ Okay, das klang seinerzeit um einiges ranker und schlanker, doch die Gitarren stehen noch im Saft und an der Lauterkeit des frommen Bittgesuchs ist nicht zu zweifeln. Halleluja!(Pure Pop)

The See See The Rain & The Snow ****

Neben den Barracudas nehmen sich The See See wie Küken aus, auch ist ihr Sehnsuchtsjahrgang nicht 1965, sondern eher 1967, doch verbindet beide Bands die Liebe zu einer Ära, als die Welt noch von Musik bewegt wurde, nicht von Mammon, als Anderssein erstrebenswert war, nicht Anpassung. Hübsche Arpeggios, Saitengeklingel und Orgel-Riffs ohne Schärfe bestimmen das Klangbild, das Tempo ist gemessen, die Melodie so schummrig wie die Worte: „Your teardrops fall on the rain and the snow/They’ll find me dead and cold with silver on my soul“. Federleicht hingegen ist die instrumentale Flipside „Snowdrop“, das Vinyl der 7-Inch schneeweiß.(Sundazed)

Angel Olsen Sleepwalker ****

Keiner der beiden Tracks dieser Single heißt „Sleepwalker“, Angel Olsen möchte den Titel als Klammer für zwei unterschiedliche Arten der Schlaflosigkeit verstanden wissen. Da wäre „Sweet Dreams“, das ebendiese herbeisehnt, vergeblich. „Every time I close my eyes“, berichtet die Geplagte, „something small within me dies.“ Dazu schlägt unverwandt eine elektrische Gitarre und Angel kippt in die Kopfstimme, genauso wie wir das von Chris Isaak kennen. Ganz anders „California“, wo sich mit Joni-Manierismen zur Akustischen aufs Zwischenmenschliche besonnen wird: „It’s late but I’m maintaining interest in the things that you say.“ 7-Inch mit Origami!(Sixteen Tambourines)

***** inkommensurabel **** formidabel *** delektabel ** akzeptabel * miserabel

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