Lambchop :: Damaged

Reflexionen aus dem beschädigten Leben, vielschichtig unterlegt

Wenn die Hitze durch Fenster und Türschlitze in die Wohnung kriecht und jede Regung eine zuviel ist – auch wenn es nur eine geistige ist -, dann schlägt die Stunde der Reggae-Band des weißen Mannes, und man legt mal wieder „How I Suit Smoking“ auf, „What Another Man Spills“ oder „Nixon“. Klar, dass das neue Lambchop-Album im Hochsommer erscheint. Es ist das neunte in zwölf Jahren. Eine ganz schön lange Zeit schon, in der Lambchop Country (Nashville, kitschige Streicher, Pedal Steel, Weizenfelder, sonores Cowboygegrummel) ohne Country (Misogynie, Schnurrbart, Pferde, Konservativismus, Cowboyhüte) spielten, Postrock ohne Rock und Soul ohne Schweiß, in der sie der Stille eine Stimme und dann dem Stummen eine Musik gaben.

Es ist die Uneigentlichkeit, die dieses Kollektiv so faszinierend – und auch ein bisschen unheimlich – macht. Musik, die sich kaum zu bewegen scheint und doch schwer zu fassen ist. Die Geschichten, die Kurt Wagner dazu erzählt, sind eher eine Art Stottern, mit jeder Zeile scheint er neu anzusetzen. Es heißt, er habe die meisten seiner Songs auf seiner Veranda in Tennessee geschrieben, während die Geschichten an ihm vorbeizogen. Nun ist er ins Haus gegangen, um nicht länger zu schauen, sondern zu fühlen, den Verlust, den Schmerz. Das sei sein „persönlichstes Album“, sagt er und weiß natürlich, dass man nichts Unpersönlicheres über ein Album sagen kann.

Kurt Wagner nimmt uns mit auf den Trödelmarkt, den man Leben nennt, wo Gefühle, Schicksale und Stimmungen feilgeboten werden, natürlich alles second hand, nicht immer scheckheftgepflegt. „Guess I’d like to sell a good used paperbacked living bible.“ Anschließend perlt das Piano, der Bass jazzt, die Gitarren klingeln, die Streicher schwellen sacht an, und mit „Prepared“ erhebt sich ein Lambchop-Song, den man – so glaubt man- schon zigmal zuvor gehört hat, wenn auch vielleicht nie zuvor so schön wie hier. „Voices cried in silence or crept stealthtly away/ Left shimmering with rigid lips compressed.“ Unausgesprochene Sätze, schmutziges Geschirr, Szenen einer Ehe.

„Damaged“, das sind für Wagner seitsam eindeutige Reflexionen aus dem beschädigten Leben, unterlegt mit mehrdeutiger Musik. Das Elektronik-Duo Hands Off Cuba hat die Stücke jeweils in kleinen Interludien auslaufen lassen und Schlieren über die Songs gezogen, die dem Album zusammen mit den sublimen, manchmal nur gezupften Streichern und jeder Menge Hall auf dem übereinandergeschichteten Instrumentarium einen fast ambienthaften Sound geben. An anderen Stellen dominiert der vom Piano strukturierte Minimalismus von „Is A Woman“. „They say put an end to all your joking/ You lost your

friends when you quit Smoking“ singt Kurt Wagner am Ende im wütenden „The Decline Of Country And Western Civilisation“, aus dem zugleich seine ganze Verzweiflung spricht.

Die Komik und Gemütlichkeit aus der Zeit, als Wagner uns von seinen Bemühungen, mit dem Rauchen aufzuhören erzählte, mag verflogen sein, aber seine Freunde werden ihm auch zuhören, wenn er in seinem Keller die Schattenseiten des Lebens mit einem Streichholz beleuchtet.

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