Live At The Royal Albert Hall

Emeli Sandé

Was einen von Beginn an an diesem Konzertmitschnitt Emeli Sandés verwundert, ist die seltsame Gestandenheit der Gesamtperformance. Natürlich trägt dazu schon die 140 Jahre alte, holzvertäfelte Royal Albert Hall bei, deren 41 Meter Deckenhöhe Regisseur Paul Dugdale – der im vergangenen Jahr auch Coldplays Live-DVD beaufsichtigte – für heroisch weitwinklige Aufsichten benutzt, in denen die Halle und die Zuschauerzahl (8.000) dramatisch größer erscheinen. In dieser Umgebung wirkt ihr bunt mit fröhlichen Familienvätern und glasig beseelten Teenagern besetztes Publikum ziemlich gediegen. Auch Sandé selbst gibt sich – mit ihrer forschen, blondierten Frisur und dem schwarzen Cocktailkleid (oder dem späteren roten Kostüm) – älter als ihre tatsächlichen 25 Jahre. Auf der Bühne bewegt sie sich wie eine rampengeprüfte Diva, der die Fans noch den baukastenförmigsten Text als genuin selbst erblutete Erfahrung abnehmen sollen.

Für Sandés Selbstbewusstsein gibt es Gründe. Kein Album verkaufte 2012 in Großbritannien besser als ihr Debüt „Our Version Of Events“. Seit fast einem Jahr steht es in den Top Ten. Und immerhin sang die Afroschottin vor einem Milliardenpublikum zur Eröffnung und zum Abschluss der Olympischen Spiele. Man könnte glatt vergessen, dass ihre erste Single „Heaven“ kaum zwei Jahre zurückliegt. Sie selbst bemerkt hier immer wieder, dass sie den steilen Aufstieg kaum fassen könne. Das geht dem Zuschauer nicht viel anders. Etliche Tracks erinnern sehr angenehm an Britsouler wie die frühen Massive Attack und Soul II Soul, auch das Arrangement aus zwei schlank streichenden Damengrüppchen zu einem massigen Viererchor und einer mit Drums und Percussion doppelt beschwerten Band gestaltet sich ansehnlich. Aber allzu viele Songs erinnern an den Instant-R&B, wie er von „X-Factor“-Kandidaten gern nachgesungen wird. Sandé zwingt ihre kraftvolle und virtuose Stimme zu sinnlosen Vor- und Nachschlägen und lässt sie recht unterschiedslos unter Emotionen beben, sodass ein Beziehungsende so wehmütig klingt wie das Glück ihrer frischen Ehe.

Die Bildsprache entspricht dem durch lehrbuchhafte Zuspitzung; und Sandé weiß, wie weit aufgerissen ein Mund in Großaufnahme sein muss, damit man ihm die unmittelbare Herstellung größter Gefühle ansieht. Ihr gestisches Repertoire gehört in jenes künstlerische Universum, in dem man ohne lästige Selbstverwirklichung vom TV-Contest direkt nach Las Vegas zielt. Das ist schade. Denn Sandé verfügt ohne Zweifel über Talent, als Sängerin wie als Schreiberin. Aber ein gerade mal solider kunsthandwerklicher Effekt scheint ihr wichtiger als die Suche nach einem eigenen Profil. (Universal) Markus Schneider

The Ernest Tubb Shows

Wenn man das Licht der Welt nicht bereits mit einem Cowboyhut erblickt und das 70. Lebensjahr noch nicht überschritten hat, wird einem der Zauber dieser Fernsehaufzeichnungen aus den 60er-Jahren möglicherweise verschlossen bleiben. Honky-Tonk-Legende Tubb versammelte in den Sechzigern ein Dutzend Countrymusiker für seine Show. Musiziert wird vor abgenutzter Western-Studiokulisse. The Texas Troubadours sehen aus wie Statisten von „Unsere kleine Farm“ vor dem sonntäglichen Kirchgang, Fiddler Wade Ray wie eine Mischung aus Franz Josef Strauß und Winnie Puuh. Dagegen wirkt der junge Willy Nelson mit Rollkragenpullover und kurzer Gelfrisur schon rein äußerlich wohltuend. Gesungen werden Klassiker von Hank Williams bis Merle Haggard, doch die Hillbilly-Harmonie dabei ist schwer erträglich. (Bear Family) Max Gösche

Ronnie Lane Band

Im Jahr zuvor hatte Ronnie Lane seine letzte Solo-Platte aufgenommen, da war er schon an multipler Sklerose erkrankt. Der Bassist der Small Faces und Faces trat 1980 mit großer Band im Studio A des WDR auf, Rolling-Stones-Gründer Ian Stewart als Silberfuchs am Piano, zwei Saxofonisten und den Akkordeonspieler Charlie Hart zur Unterstützung. Lanes Pub-Blues- und Boogie-Woogie-Stücke sind von rührender Schlichtheit und meistens sehr lang; bei Chuck Berrys „You Never Can Tell“ gniedelt die Band geschlagene zehn Minuten. Als Sänger fehlten dem Engländer leider Ausdruck und Bravado; der Vortrag gemahnt an den Sonntags-Frühschoppen. Ronnie Lane nahm später nur noch einzelne Songs auf, engagierte sich in einer Stiftung und starb 1997. „Rough Mix“, das Album mit Pete Townshend von 1978, blieb seine beste Arbeit. (Made In Germany) Arne Willander

Fotos

Bedächtig nehmen die vier von Fotos ihre Plätze ein. Die Brauntöne der Gitarren, die dunklen Holzdielen des Magdeburger Theaters und die schlichten Anzüge von Sänger Tom Hessler und Band geben der Aufführung von „Porzellan“ einen angesagten Vintage-Anstrich, die vier Lichtkegel und der bläuliche Dunst im Theater sorgen für den nötigen Ernst. Und so ist der Indie-Rock von Fotos ja auch gemeint. Also keine Luftballons, kein Tanz und keine Masken, nur Deniz Erarslan, Frieder Weiss, Benedikt Schnermann und Tom Hessler, der so ernst dreinschaut, dass einem beim Zusehen ganz warm ums Herz wird. Entscheidend für diese Reduktion aufs Wesentliche: der Verzicht auf Interviewpassagen, Bonusmaterial, vor allem aber auch auf Publikum. Bei den nur neun Stücken funktioniert dieser Ausschluss von Störfaktoren gut. Ein erhabenes Konzert. (380 Grad/Rough Trade) Lena Ackermann

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