Metronomy

Love Letters

Wenn sich Musik ins Leben schleicht, wenn sie zum Soundtrack deiner Tage wird, ein ständiger Begleiter, unabhängig davon, ob sie gerade läuft oder nur in deinem Kopf weitersummt, dann ist das natürlich kein Zufall. Dann trifft sie auf eine emotionale Prädisposition, für die sie gar nichts kann. Ich aber auch nicht.

Melancholie kann unfassbar sexy sein, und Metronomy sind Großmeister dieses Könnens. Sie wickeln das Moll in eine Wolldecke, sie bieten die Schulter, auf der sich der müde Kopf ablegen kann. Um mal hinten anzufangen: „Love Letters“ endet mit dem zarten, tröstlichen „Never Wanted“, mit einem Windhauch und einer vorsichtig gezupften Gitarre, bevor bei der Zeile „but it gets better“ ein weich aber energisch brummelnder Bass einsetzt, der den Song seine Muskeln spannen und fliegen lässt. Das passiert nicht sofort und nicht beim ersten Hören. Es passiert, sobald sich das Lied ins Leben geschlichen hat. Der letzte Song des Albums knüpft an den ersten, „The Upsetter“, an. Und es dauert 2:40 Minuten, bis eine sanft und entspannt perlende Elektrogitarre schließlich das beständig wiederholte „you’re really giving me a hard time“ begleitet wie ein entschlacktes Dave-Gilmour-Riff.

Vor zwei Jahren hatte die Band um den Songwriter und Produzenten Joseph Mount das famose und für den Mercury-Preis nominierte „The English Riviera“ veröffentlicht, ein Album voll sehr, sehr smarter Elektro-Pop-Hits. Für „Love Letters“ zog er sich in das konservative Toe Rag Studio in London zurück und arbeitete mit analoger Technik. Was auf dem Vorgänger von 2011 noch zickig, new-wavig, aperol-sprizzig und leicht überhitzt klang, ist hier einer kaminroten Wärme gewichen. Bei den ersten Konzerten zum neuen Album saß Mount denn auch meist auf einem Hocker. Getänzelt wird höchstens zum als Hit auserkorenen „I’m Aquarius“, und auch an ihm ist nichts offensichtlich, nichts so, wie es bei einem radiotauglichen Elektro-Pop-Hit sein sollte. Dafür ist die melancholische Grundfärbung viel zu lässig, zu erwachsen. Das gilt auch für das so großartige wie unaufdringliche „Monstrous“, das uns mit dem hübschen Rat versorgt, wir sollten alles, was wir lieben, bloß gut festhalten.

Wo kommt das her? Der frühe David Bowie, etwa Höhe „Hunky Dory“, ist erkennbar, das Zuckerpathos von Empire Of The Sun, die zarte Reduktion der Young Marble Giants, das Popsong-Vermögen eines Stephen Duffy. In „The Most Immaculate Haircut“ fließt das alles zusammen, makellos schön und klug, und auch hier wieder: so gar nicht offensichtlich. Hammondorgeln und Beatboxen, Field Recordings und echte Gitarren prägen den sanft pluckernden Sound, der durch das ganze Album fließt. Einen Punktabzug gibt es bloß für das belanglose Instrumental „Boy Racers“. Alles andere ist seelenwärmend und sexy. (Because/Elektra/Warner)