Magnolia Electric Co. – Sojourner :: Vier CDs und ein Kurzfilm auf DVD in einem hölzernen Kasten

Man kann über Jason Molina mit einem abgewandelten Satz von Walter Benjamin sagen: Sich auf den Straßen Nordamerikas zurechtzufinden, dazu bedarf es nicht viel- sich aber in dem Land zu verirren, das ist eine wahre Kunst. Molina, der Beschwörer und Sänger der Landschaft, verirrt sich absichtsvoll auf den langen Strecken und Abkürzungen seines verzweigten Werks, dem er mit dem Kompendium „Sojourner“ ein Monument hinzufügt. Der Holz-Schuber enthält vier CDs und den Kurzfilm „The Road Becomes What You Leave“ auf DVD; die CDs stecken sozusagen in neutralen Firmen-Hüllen von Magnolia Electric Co., während Plattentitel und Trackhsting auf Papp-Karten mit Malereien notiert sind. Hölzerner Kasten und Karten erinnern an die Gestaltung der Schreiner-Ausgabe von „Automatic For The People“ von R.E.M., 1992. Besitzt Molina dieses Artefakt? „Sojourner“ im Einzelnen: „Nashville Moon“, ein meisterliches Album in der Magnolia-Besetzung mit Jason Groth, Michael Kapinus, Peter Schreiner und Mark Rice (plus Mike Brenner an der Lap- und Pedal Steel). „Black Kam“, eine aufgekratztere, südstaatlichere Variante mit David Lowery am Bass und Andrew Bird („Whistling“). Die „Sun Session“, vier Stücke mit der Stamm-Band. Und „Sriohola“ hier spielt Molina allein (und einige Stücke noch einmal). Ein Großwerk also und vielleicht auch ein wenig hybrid – denn Molinas im Kern schlichte Gitarrenmusik erlaubt nicht die Variationen, die Neil Young schon in seinen ersten Jahren einzigartig machten. Aber Magnolia Electric Co. spielen diese traumverlorenen Weisen auf unverzärtelte, aber eben auch nicht raubauzige Weise, und es ist Molinas tranquilierende Stimme, die sie weit über Roots-Musik erhebt.

Die im Zwielicht, mit geschlossenen Augen im Konzert stehenden Mädchen in der Dokumentation „The Road Becomes What You Leave“ legen Zeugnis davon ab, dass es sich bei Magnolia um einen Geheimkult handelt, bei dem es nicht um Rock’n’Roll geht. Man hört das Konzert nicht (und sieht fast nichts davon), auf der Tonspur liegt dennoch Molinas Musik, wie auch über den kontemplativen Bildern von kanadischen Straßen, Raststätten, Tankstellen, Motels. Man sieht Nebel, Sonnenaufgänge, ländliche Weiten, Straßen in Kleinstädten. Cafes, kleine Konzerthallen. Die Musiker fahren in ihrem Kleinbus, schleppen die Instrumente, steigen im Hotel ab, wachen auf, ziehen sich an, fahren weiter. In einer Garderobe proben sie zaghaft Warren Zevons „Carmelita“. Sonst hört man kaum Originalton, es gibt keine Interviews, keine Sprüche, keine Publikumsbefragungen.

Von dem Buch „Great Plains“ sei dieser Film inspiriert worden, liest man im Abspann, aufgenommen im Frühjahr 2005 in Manitoba, Sasketchewan und Alberta. Zugleich sind es Ansichten, wie sie Wim Wenders in „Im Lauf der Zeit“ von Deutschland gewonnen hat Und David Lynch in „The Straight Story“ vom Mittelwesten.

Jason Molina, der düstere Mann mit den großen Augenbrauen, huscht nur hier und da ins Bild. Seine Poesie ist ja im Gesang stets gegenwärtig, in seiner Musik, ein Fortschreiben als Bewegung- neuen Sonnenaufgängen, Kornfeldern und Reklameschildern entgegen in dieser harten, magischen Landschaft.

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