Marcos Valle Marcos Valle :: Schuld war nur der Bossa Nova: Mitte der 60er-Jahre, nachdem das „Girl From Ipanema“ überall berühmt wurde, faszinierte brasilianische Musik plötzlich auch die US-Amerikaner, und Antonio Carlos Jobim durfte mit Frank Sinatra in der Carnegie Hall auftreten und Platten aufnehmen. Der alternde Entertainer und der nicht uneitle Komponist hatten einander wenig mitzuteilen, doch Sinatra schien ein letztes Mal an die Musik des Moments angeschlossen zu sein.

Im selben Jahr reiste der 23-jährige Marcos Valle in die USA und nahm dort „Braziliance!“ auf; Sergio Mendes half bei dem Song „Brasil 66“. Zu Hause hatte Valle, ein blonder Schönling zwischen Björn Borg und Richard Clayderman, bereits einige Platten veröffentlicht, sein Bruder Paulo schrieb die Texte zu den eklektischen Songs. Einige dieser Lieder erschienen in den USA als „Samba ’68“. Auf dem EMI-Label Odeon kamen dann in schneller Folge Valles wichtigste Alben heraus: eine Explosion von kitschiger Instrumentalmusik und Bossa Nova, Streicherballaden und Orgel-Jazz, barockem Pop und Klavierstücken. „Marcos Valle“(1970) ist ein Meisterwerk, das klingt, als hätten Mozart und Morricone gemeinsam den Soundtrack für „Tod in Venedig“ als Pornofilm geschrieben. Das Cover zeigt Marcos im Bett, weiß bezogen, daneben ein weißes Telefon, Whiskey-Flasche und Aschenbecher, auf dem Boden liegen Latschen und Zeitung. Wer immer die Menschen waren, die dieses Wolkenkuckucksheim aus süßesten Melodien und betörendsten Gesängen arrangierten: Diese Edition hebt 35 Minuten und 36 Sekunden Ewigkeit ans Licht, eine Musik, deren Schönheit man nur mit Nick Drakes zur selben Zeit entstandenem Album „Bryter Layter“ vergleichen kann.

Valle nahm dann „Garra“(1971, ****1/2) auf ,das als sein eingängigstes gilt: Wenn es je transzendentalen südländischen Schlager gab, dann hat Valle ihn mit dieser Platte vollendet, einem Kleinod mit Cembalo, Kirchenorgel und frommen Chören, aber auch ein Fest des entfesselten Tropicalismo. Das Klangbild ist so fein gewoben, dass man der Gitarre, der Flöte und dem Bass folgen kann. Leider wurden die Stücke damals gern ausgeblendet.

Auf „Vento Sul“ (1972, ****) experimentierte Valle mit schwerem Bass, Schlagwerk aller Art, Piano und Flöten, selten Streichern und elektrischen Gitarren; die entrückten, mal träumerisch, mal überdeutlich oder im Falsett gesungenen Balladen haben etwas Strenges und Feierliches. Mit dem meisterlichen „Previsao Du Tempo“ (1973, ****1/2) schloss Valle die Hochphase ab.

Der Großmeister hörte nie auf, doch die Platten wurden seltener. In diesem Jahr wird der begnadete Songschreiber 70 Jahre alt. Sixto Rodriguez, im Vergleich ein eher bescheidener Musiker, wurde auf seine alten Tage noch wiederentdeckt. Wo steckt Marcos Valle? (Light In The Attic)

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