Marina & The Diamonds – The Family Jewels :: Catchy und kantig

Die neuen Mädchen sind hier, und sie drängen einen zurück ans Radio. Zu Sendern, die ein „Magic“, „Fun“ oder „Dream“ im Namen tragen. Hier ist der beste Pop-Rock von heute, hier sind sie – Deine Hits der 10er!

Die neuen Mädchen aus Wales: Sie machten den „BBC Sound Of 2O1O“-Poll unter sich aus. Ellie Goulding siegte knapp – ihr charmanter Folk-Dubstep wird an anderer Stelle rezensiert. Als „Spitzenzweiter“ (wie man auf St. Pauli sagt) reüssierte die 24-jährige Marina Lambrini Diamandis, Tochter eines Griechen, und ein besseres Popalbum – im klassischen Sinne – als ihr Debüt wird es möglicherweise dieses Jahr nicht mehr geben. „The Family Jewels“ dürfte die Platte sein, auf die sich 2010 alle einigen können. Die Musikmuffel, die sich seit „Back To Black“ keinen Tonträger mehr gekauft haben, die zynischen Kritiker, die Obskuritätensammler.

Warum das so ist? Marinas Songs haben alles. Sie sind gleichzeitig catchy und kantig catchy genug für die Charts, kantig genug, um auch das Indie-Umfeld zu rühren. „Oh my God, you look just like Shakira/ No no, you’re Catherine Zeta/ Actually, my name’s Marina“ stellt sie sich in „Hollywood“, ihrer Abrechnung mit dem Traum der Träume („Living in a movie scene puking American dreams…“), vor und präsentiert sich als Wanderin zwischen den Welten. Sokrates meets „Hello Kitty“: Marina kiekst wie Danielle Dax und Lene Lovich, knödelt wie Shakira, raunt wie Siouxsie Sioux. Dabei verbindet sie E.L.O.-Schwülstigkeit mit No-Doubt-Drive und The-Colourfield-Nonchalance. Dazu: Phil-Collins-Drums! Marina ist eine Gothic Party, auf der alle zu Rick Astley tanzen, das fehlende Glied zwischen Siouxsie und Lady Gaga. Eine unscheinbare Studentin von nebenan, aber wenn’s darauf ankommt, kann sie auch die perfekte Lugner-Begleiterin für den Wiener Opernball abrufen. Ironie wie bei Katy Perry? Marina Diamandis besteht jede Echtheitsprüfung. Manchmal driftet ihr Hi-Energy-Freak-Pop ins Esoterische ab – nicht einmal das wirkt aufgesetzt oder ausgedacht, sondern hat Charme. Diese Schwingungssurferin lassen wir uns gefallen. Und auch den ABBA-Refrain von „Shampaign“.

Unaufdringlich wie Madame selbst sind die Eighties-Elemente in ihren Songs. Die Grenze zum Kitsch wird nie überschritten. Produzent Pascal Gabriel weiß – wie alle hier Beteiligten -, wie ungedämpft die Computer pluckern dürfen, ohne dass es peinlich wird. Einst belgischer Punkrocker bei den Razors, lebt er selbst ständig im Pendelverkehr zwischen den Planeten. Bei New Order lernte er den Grenzgang und arbeitete sowohl für Mainstream-Frauen wie Rachel Stevens und Dido als auch für Indie-Außenseiter wie Pop Will Eat Itself und die Inspiral Carpets.

„We’ve got obsessions/ All you ever think about are sick ideas involving me, involving you“, singt Everybody’s Darling 2010. Ja, doch, wir sind längst befangen. Cuckoo!

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